Anordnung
des Nationalen Verteidigungsrates der Deutschen Demokratischen Republik über den
Wehrdienst der Reservisten.
(Reservistenordnung)
Vom 24. Januar 1962
Auf Grund des Gesetzes vom 24.
Januar 1962 über die allgemeine Wehrpflicht (Wehrpflichtgesetz) (GBl. I S. 2) wird
angeordnet:
§ 1
Allgemeine Bestimmungen
(1) Die ungedienten und gedienten
Wehrpflichtigen bilden bis zur Vollendung des 50. und Offiziere bis zur Vollendung des 60.
Lebensjahres die Reserve der Nationalen Volksarmee.
Im Verteidigungszustand gehören die Wehrpflichtigen bis zur Vollendung des 60.
Lebensjahres zur Reserve der Nationalen Volksarmee. Die der Reserve angehörenden
Wehrpflichtigen werden Reservisten genannt.
(2) Ungediente Reservisten sind: |
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Wehrpflichtige ab 18. Lebensjahr bis zur Einberufung zum aktiven
Wehrdienst, zum Wehrersatzdienst oder zum Reservistenwehrdienst. |
(3) Gediente Reservisten sind: |
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a) Wehrpflichtige, die den aktiven Wehrdienst in der Nationalen Volksarmee
oder den Wehrersatzdienst abgeleistet haben;
b) Wehrpflichtige, die an einer Ausbildung oder Übung für Reservisten teilgenommen
haben. |
(4) Wehrpflichtige, die gemäß § 12 des Gesetzes
über die allgemeine Wehrpflicht (Wehrpflichtgesetz) vom 24. Januar 1962 für den
Wehrdienst als dienstuntauglich ausgemustert sind oder nach § 13 vom
Wehrdienst ausgeschlossen werden, zählen nicht zur Reserve der Nationalen Volksarmee. [1] |
§ 2
Einteilung der Reserve der Nationalen Volksarmee
Die Reserve der Nationalen Volksarmee wird eingeteilt: |
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a) Reservegruppe I: Ungediente Wehrpflichtige, Soldaten, Unteroffiziere
und Offiziere bis Dienstgrad Hauptmann (Kapitänleutnant) bis zur Vollendung des 35.
Lebensjahres; Offiziere ab Dienstgrad Major (Korvettenkapitän) aufwärts bis zur
Vollendung des 60. Lebensjahres;
b) Reservegruppe II: Ungediente Wehrpflichtige, Soldaten und Unteroffiziere vom Beginn des
36. Lebensjahres bis zur Vollendung des 50. Lebensjahres, im Verteidigungszustand bis zur
Vollendung des 60. Lebensjahres; Offiziere bis einschließlich Dienstgrad Hauptmann
(Kapitänleutnant) vom Beginn des 36. Lebensjahres bis zur Vollendung des 60.
Lebensjahres. |
§ 3
Reservedienstverhältnis
(1) Das Reservedienstverhältnis wird durch
die Ableistung des aktiven Wehrdienstes in der Nationalen Volksarmee oder des
Wehrersatzdienstes unterbrochen.
(2) Nach Beendigung des aktiven Dienstes in der Nationalen Volksarmee oder des
Wehrersatzdienstes erfolgt die Versetzung in die Reserve der Nationalen Volksarmee |
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a) für Soldaten und Unteroffiziere |
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durch die Kommandeure mit der Disziplinarbefugnis ab Regimentskommandeur
oder Gleichgestelltem aufwärts; |
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b) für Offiziere |
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durch den Minister für Nationale Verteidigung.
In Ehren ausscheidende Offiziere, die den Wehrersatzdienst ableisten, werden auf Vorschlag
der entsprechenden Minister durch Befehl des Ministers für Nationale Verteidigung als
Offizier in die Reserve der Nationalen Volksarmee versetzt. |
(3) Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere,
die den aktiven Wehrdienst oder den Wehrersatzdienst abgeleistet haben, werden in der
Regel mit dem während der Dienstzeit zuletzt geführten Dienstgrad in die Reserve der
Nationalen Volksarmee versetzt. |
§ 4
Reservistenwehrdienst
(1) Der Reservistenwehrdienst wird zur Erhöhung der Kampffähigkeit und Einsatzbereitschaft der Nationalen Volksarmee durchgeführt.
Die Reservisten können zur Ausbildung oder zu Übungen im Rahmen des
Reservistenwehrdienstes durch die Wehrkreiskommandos einberufen werden.
(2) Die Einberufung erfolgt in der Regel 14 Tage vor Beginn der Ausbildung bzw.
Übung durch einen Einberufungsbefehl entsprechend § 24 der Musterungsordnung.
(3) Vor Beginn der Ausbildung oder einer Übung haben sich die Reservisten einer
Überprüfung der Diensttauglichkeit zu unterziehen. Sie entfällt für Reservisten,
die unmittelbar vor Beginn der Ausbildung oder Übung gemustert wurden oder vor der
Einberufungskommission erschienen sind.
Die Untersuchung ist durch die Wehrkreiskommandos zu organisieren.[2]
§ 5
Der Fahneneid
Reservisten, die in der Nationalen Volksarmee noch keinen Fahneneid auf die Deutsche Demokratische Republik
geleistet haben, leisten diesen innerhalb von 10 Tagen bei ihrer ersten Teilnahme am
Reservistenwehrdienst.
§ 6
Die Freistellung zum Reservistenwehrdienst
(1) Die Betriebe, Genossenschaften, staatlichen Organe, Organisationen
und Institutionen sind verpflichtet, die Reservisten zur Teilnahme am
Reservistenwehrdienst zu beurlauben.
(2) Aus der Ableistung des Reservistenwehrdienstes dürfen den Wehrpflichtigen keine
Nachteile hinsichtlich des Arbeitsrechtsverhältnisses und des Arbeitsplatzes entstehen.
Eine Kündigung des Arbeitsrechtsverhältnisses ist unzulässig.
(3) Die finanzielle Versorgung der Reservisten während der Ableistung des
Reservistenwehrdienstes erfolgt entsprechend der Verordnung vom 24. Januar 1962 über die Besoldung
der Wehrpflichtigen für die Dauer des Dienstes in der Nationalen Volksarmee
(Besoldungsverordnung) (GBl. II S. 49).
§ 7
Die Reservistenausbildung
(1) Reservisten, die noch keinen aktiven
Wehrdienst in der Nationalen Volksarmee oder anrechnungsfähigen Wehrersatzdienst
geleistet haben, können zum Zwecke der Vermittlung militärischer Grundkenntnisse für
die Dauer bis zu 3 Monaten im Jahr in die Nationale Volksarmee einberufen werden.
(2) Nach Abschluß der Ausbildung erfolgt die Ernennung zu einem Soldaten- oder
Unteroffiziersdienstgrad der Reserve durch Kommandeure mit der Disziplinarbefugnis ab
Regimentskommandeur bzw. Gleichgestellte aufwärts.
(3) Für Reservisten, bei denen eine Ausbildung zum Offizier vorgesehen ist, kann die
Ausbildung bis zu 6 Monaten im Jahr betragen. Diese Ausbildung wird in der Regel an einer
Offiziersschule der Nationalen Volksarmee durchgeführt.
(4) Für eine Ausbildung zum Offizier der Reserve werden vorrangig herangezogen: |
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a) Unteroffiziere, die aus dem aktiven Dienst ausscheiden bzw.
Unteroffiziere der Reserve, die an mehreren Reservistenübungen teilgenommen haben;
b) Soldaten und Unteroffiziere der Reserve nach Erwerb einer abgeschlossenen Hoch- bzw.
Fachschulbildung;
c) Absolventen von Hoch- und Fachschulen;
d) Partei-, Staats- und Wirtschaftsfunktionäre;
e) in Ausnahmefällen kann der Minister für Nationale Verteidigung auch unter den
Buchstaben a bis d nicht genannte Wehrpflichtige der Deutschen Demokratischen Republik zur
Ausbildung zum Offizier der Reserve zulassen. |
(5) Nach bestandenem Offiziersexamen erfolgt
die Ernennung zu einem Offiziersdienstgrad der Reserve durch den Minister für Nationale
Verteidigung.
Der Minister für Nationale Verteidigung hat das Recht, in Ausnahmefällen die Chefs der
Militärbezirke mit der Ausübung der Ernennung zu bevollmächtigen.
(6) Im Falle der Erklärung des Verteidigungszustandes der Deutschen Demokratischen
Republik können Reservisten sofort in Offiziersdienststellungen ernannt
werden, wenn sie auf Grund ihrer beruflichen Tätigkeit oder sonstigen Qualifikationen die
fachliche und persönliche Eignung für eine Offiziersdienststellung besitzen.
Die Ernennung in die erste Offiziersdienststellung erfolgt durch die Chefs der Teile der
Nationalen entsprechend der Verordnung vom 24. Januar 1962. |
§ 8
Reservistenübungen
(1) Die Reservistenübungen dienen der
Qualifizierung der Reservisten und haben das Ziel, die erworbenen militärischen
Kenntnisse zu festigen und die gedienten Reservisten in bestimmten Zeitabständen mit der
neuen Technik und Bewaffnung vertraut zu machen.
(2) Die Heranziehung zu Übungen erfolgt in der Regel alle 3 bis 4 Jahre entsprechend dem
Dienstgrad und der Dienststellung im Reservedienstverhältnis.
(3) Die Dauer der Übungen beträgt: |
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a) für Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere der Reserve |
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- in der Reservegruppe I höchstens 3 Monate im Jahr,
- in der Reservegruppe II höchstens 2 Monate im Jahr. |
Die Gesamtdauer der Heranziehung zu Übungen
darf bei Soldaten und Unteroffizieren der Reserve 21 Monate und bei Offizieren der Reserve
24 Monate nicht überschreiten. |
§ 9
Überprüfung der Kampfbereitschaft der Reservisten
Außer der Heranziehung zur Ausbildung und zu Übungen können auf
Anordnung des Nationalen Verteidigungsrates der Deutschen Demokratischen Republik
Reservisten zur Überprüfung ihrer Kampffähigkeit und Einsatzbereitschaft kurzfristig
einberufen werden.
§ 10
Reservistenwehrdienst bei Verkündung des Verteidigungszustandes oder bei gespannter
internationaler Lage
Bei Verkündung des Verteidigungszustandes der Deutschen Demokratischen
Republik oder bei gespannter internationaler Lage verbleiben auf Anordnung des Nationalen
Verteidigungsrates der Deutschen Demokratischen Republik die zum Reservistenwehrdienst
einberufenen Reservisten in ihren Truppenteilen und Einheiten.
§ 11
Beförderungen von Reservisten
(1) Soldaten und Unteroffiziere der Reserve
können zum nächsthöheren Soldaten- und Unteroffiziersdienstgrad befördert werden, wenn
sie mit Erfolg an einer Übung teilgenommen und sich dabei die erforderliche Qualifikation
für die vorgesehene Dienststellung und den damit verbundenen Dienstgrad
erworben haben.
(2) Unteroffiziere der Reserve, die an zwei Übungen in der gleichen Dienststellung
teilgenommen haben, und den höchsten Dienstgrad für diese Dienststellung besitzen,
können bei ausgezeichneten Leistungen nach Beendigung der zweiten Übung zum
nächsthöheren Unteroffiziersdienstgrad befördert werden.
(3) Offiziere der Reserve können zum nächsthöheren Dienstgrad befördert werden, wenn
sie mit Erfolg an Übungen teilgenommen und sich dabei die erforderliche
Qualifikation für die vorgesehene Dienststellung und den damit verbundenen
Dienstgrad erworben haben.
Die Beförderung ist an keine Zeit gebunden und erfolgt in der Regel nach Abschluß von
Übungen.
(4) Beförderungen zum Major der Reserve und aufwärts sind nur auf Grund besonderer
Fähigkeiten bzw. besonderer Erfahrungen in der Truppenführung möglich.
(5) Das Recht zur Beförderung haben: |
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a) zu Soldaten- und Unteroffiziersdienstgraden bis
Oberfeldwebel der Reserve |
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Kommandeure mit der Disziplinarbefugnis ab Regimentskommandeur; |
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b) zu Stabsfeldwebeln der Reserve |
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Kommandeure mit der Disziplinarbefugnis ab Divisionskommandeur; |
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c) bis zum Dienstgrad Hauptmann der Reserve einschließlich |
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die Chefs der Teile der Nationalen Volksarmee und der Militärbezirke; |
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d) ab Dienstgrad Major der Reserve |
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der Minister für Nationale Verteidigung. |
Pflichten und Rechte der Reservisten
§ 12
(1) Während der Teilnahme an der Ausbildung und an Übungen haben die
Reservisten die Pflichten und Rechte, wie sie in gesetzlichen Bestimmungen, Befehlen,
Anordnungen und Dienstvorschriften für die Angehörigen des aktiven Dienstes der
Nationalen Volksarmee festgelegt sind.
(2) Die Reservisten unterliegen den Bestimmungen über Disziplinarmaßnahmen für
Angehörige der Reserve der Nationalen Volksarmee.
§ 13
Die Reservisten sind verpflichtet: |
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a) den Anordnungen der Wehrkreiskommandos Folge zu leisten;
b) stets die Ehre und Würde eines Reservisten der Nationalen Volksarmee zu wahren;
c) sich ständig beruflich und politisch zu qualifizieren;
d) durch die Mitarbeit in den Kampfgruppen der Arbeiterklasse und in der
Gesellschaft für Sport und Technik ihre militärischen Kenntnisse zu vervollkommnen;
e) die staatlichen und militärischen Geheimnisse zu wahren und für Aussagen über
dienstliche Angelegenheiten der bewaffneten Organe der Deutschen Demokratischen
Republik vor Gericht, soweit sie der Geheimhaltung unterliegen, die Aussagegenehmigung
beim zuständigen Wehrkreiskommando einzuholen;
f) der Meldepflicht gemäß der Ordnung über die
Erfassung der Wehrpflichtigen nachzukommen. |
§ 14
Die Reservisten haben das Recht: |
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a) den Antrag auf Übernahme in den aktiven Wehrdienst oder in den
Wehrersatzdienst zu stellen;
b) ihren Dienstgrad mit dem Zusatz der Reserve zu führen;
c) verliehene Auszeichnungen und Ehrenzeichen auch an der Zivilkleidung zu tragen. |
§ 15
(1) Unteroffiziere mit mehr als 10 Jahren im aktiven Wehrdienst und
Wehrersatzdienst und Offiziere erhalten das Recht, während ihrer Zugehörigkeit zur
Reserve bei besonderen Anlässen (Staatsfeiertagen, Empfängen, Festveranstaltungen und
Feierlichkeiten der Nationalen Volksarmee) die Uniform zu tragen.
(2) Die Soldaten auf Zeit und die Berufssoldaten sind entsprechend der Verordnung vom 24. Januar 1962 über die
Förderung der aus dem aktiven Wehrdienst entlassenen Angehörigen der Nationalen
Volksarmee (GBl. II S. 53) zu behandeln.
§ 16
Beendigung der Zugehörigkeit zur Reserve der Nationalen Volksarmee
(1) Die Zugehörigkeit zur Reserve der Nationalen Volksarmee
wird beendet: |
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a) mit der Versetzung oder Wiedereinstellung in den aktiven Wehrdienst
oder in den Wehrersatzdienst;
b) wenn das Höchstalter der Reserve erreicht ist;
c) bei dauernder Dienstuntauglichkeit für den Wehrdienst. Die Entscheidung darüber
trifft in offensichtlichen Fällen der Leiter des Wehrkreiskommandos, in allen anderen
Fällen die Musterungskommission bei ihrem nächsten Zusammentreten;
d) beim Tod des Wehrpflichtigen. |
(2) Die Zugehörigkeit zur Reserve der
Nationalen Volksarmee wird für die Dauer des Ausschlusses vom Wehrdienst gemäß § 13 des Gesetzes
über die allgemeine Wehrpflicht unterbrochen.
(3) Offiziere der Reserve, deren Zugehörigkeit zur Reserve in Ehren beendet ist oder
Offiziere, die in Ehren aus dem aktiven Wehrdienst oder Wehrersatzdienst entlassen
werden, behalten ihren Dienstgrad mit dem Zusatz außer
Dienst (a. D.).
Sie haben die gleichen Rechte wie die Offiziere der Reserve. |
Schlußbestimmungen
§ 17
Reservisten, die der Einberufung zur Ableistung des
Reservistenwehrdienstes oder der Untersuchung auf Diensttauglichkeit nicht nachkommen,
können nach § 32 des Wehrpflichtgesetzes bestraft werden.
§ 18
Diese Reservistenordnung tritt mit ihrer Verkündung in Kraft.[3]
Berlin, den 24. Januar 1962
Der Vorsitzende
des Nationalen Verteidigungsrates
W. Ulbricht
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