Beschluss des Außerordentlichen Parteirats von BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN zu den Attentaten in den USA
Vom 13. September 2001
1. Die entsetzlichen Angriffe, die am 11.09.2001 auf die
Vereinigten Staaten von Amerika verübt wurden, waren ein menschenverachtender Anschlag
gegen die Werte einer offenen, zivilen Gesellschaft, für die wir eintreten. Diese
Angriffe haben weltweit lähmendes Entsetzen, Trauer, Wut, große Sorge hervor gerufen,
aber auch zu einer starken Welle der Solidarität mit den Opfern, ihren Angehörigen und
dem ganzen amerikanischen Volk geführt. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind Teil dieser
Solidarität.
2. Wir unterstützen die Forderung des Sicherheitsrates der Vereinten
Nationen, dass die Verantwortlichen des Massenmordes, die Organisatoren wie die Sponsoren
ausfindig gemacht und zur Rechenschaft gezogen werden. Wir unterstützen die Feststellung
des Sicherheitsrates, daß Terrorakte als Bedrohung des internationalen Friedens bekämpft
werden müssen.
3. Die Regierung der USA hat angekündigt, daß sie hart auf die
terroristische Aggression reagieren will. Sie hat zum Beispiel davon gesprochen, den
Terrorismus "mit Stumpf und Stil auszurotten". Das hat in breiten Teilen der
deutschen wie der europäischen Öffentlichkeit der Sorge Nahrung gegeben, eine zu wenig
besonnene Reaktion der USA könnte am Ende die Rechnung der Terroristen aufgehen lassen,
die auf eine Eskalation der Gewalt setzen. Vor diesem Hintergrund unterstreichen wir das
legitime Recht der USA zur Selbstverteidigung auf der Basis der Charta der Vereinten
Nationen. Glaubwürdig ist rechtsstaatliche Demokratie aber nur, wenn sie bei der
Ermittlung und Bestrafung der Täter ihre eigenen Prinzipien nicht verletzt. Das
Völkerrecht deckt Rache nicht ab; eine davon geprägte Eskalationsstrategie lehnen wir
ab. Jedes mögliche Vorgehen muss begleitet werden von einem politischen Konzept, das
über den Tag hinausweist und ein Angebot enthält zur wirksamen Behandlung der Konflikte,
aus denen sich die Gewalt speist. Wir fordern eine grundsätzliche Neuausrichtung der
Sicherheitspolitik. Dabei muß im Vordergrund stehen, wie neuen globalen Bedrohungen durch
Krisenprävention, durch zivile Konfliktbearbeitung, durch die Schaffung globaler
Gerechtigkeit und die faire Lösung von Regionalkonflikten begegnet werden kann.
4. Die USA haben sich nach der nationalen Tragödie an den NATO-Rat
gewandt mit dem Antrag nach Artikel 5 des Washingtoner Vertrages den Bündnisfall
festzustellen. Der NATO-Rat hat am 12.09.2001 einstimmig für den Fall, daß die
Ermittlungen zu den Terroranschlägen ergeben, daß diese von außerhalb der USA gesteuert
wurden, die Anwendung des Artikel 5 des NATO-Vertrages festgestellt. Zum ersten Mal hat
die NATO damit einem Mitglied formell Hilfe gegen einen bewaffneten Angriff zugesagt,
militärische Hilfe gegebenenfalls eingeschlossen. Dem hat auch die Bundesregierung
zugestimmt. Dies war eine sehr schwere Entscheidung. Aber: Angesichts
der terroristischen Angriffe auf US-Bürgerinnen und Bürger können wir der
Inanspruchnahme des Bündnisfalles nicht widersprechen.
5. Die Annahme des Bündnisfalles bedeutet nicht schon eine Entscheidung
für die Teilnahme an militärischen Planungen oder Aktionen der USA. Die Annahme des
Bündnisfalles hebt nicht die Verpflichtung der deutschen Seite auf, in eigener
Verantwortung und unter Beachtung der verfassungsmäßigen Regeln wie insbesondere des
Parlamentsvorbehaltes selbst zu entscheiden, welche Hilfe mit welchen Mitteln sie für
notwendig hält, um die Sicherheit wiederherzustellen und aufrecht zu erhalten.
6. Die weltweite Betroffenheit, die durch die terroristische Gewalt
ausgelöst wurde, hat plastisch deutlich gemacht, wie weit die Welt, in der wir leben, zu
einer Welt zusammenwächst. Wir wenden uns entschieden gegen alle Versuche, diese
Betroffenheit auszuschlachten, um mit Strategien der Abschottung, der nationalen
Borniertheit und Fremdenfeindlichkeit autoritäre Politik zu betreiben. Zivile und offene
Gesellschaften vertragen keinen Kampf der Kulturen. Sie beruhen auf der Vielfalt der
Kulturen und der Religionen. Jedes Versäumnis im Dialog der Kulturen, vor allem mit der
islamischen, jedes Versäumnis bei der Verbesserung der Lebensbedingungen in jenen
Ländern, die heute Brutstätten des Terrorismus sind, holt uns ein. Abschottung ist eine
rückwärtsgewandte - Illusion. Wir stehen weiter zu unserer Vision einer
Völkergemeinschaft weltoffener Demokratien. Dazu gehört nicht nur die Bereitschaft, zur
Verteidigung einer weltoffenen Demokratie dem Terrorismus zu widerstehen. Es gehört auch
dazu, ihm den politischen Boden zu entziehen durch Förderung von Menschenrechten,
Demokratie, Toleranz und internationaler Gerechtigkeit. Dafür treten BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN ein.
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