Rede des Abgeordneten Gerald Häfner zu Gesetzentwürfen zur
Bekämpfung des Terrorismus und Erhöhung der inneren Sicherheit
Vom 11. Oktober 2001
(Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Jetzt kriegen wir von Herrn
Häfner eine Grundgesetzerklärung!)
Gerald Häfner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Lieber Herr Marschewski, ich werde es kurz machen, aber deutlich. Denn Ihr Beitrag hat mich doch
(Norbert Geis [CDU/CSU]: Tief getroffen!)
erschrocken. Ich habe vor allen Dingen folgende Sätze mitbekommen: Sie haben gesagt: Wer
sich extremistisch bewegt, darf keine Grundrechte genießen. - Damit bewegen Sie sich
außerhalb des Konsenses unseres Grundgesetzes,
Herr Marschewski.
Die Grundrechte gelten in der Tat für jeden. Extremistische Äußerungen - das gilt auch
für das, was Sie heute vorgetragen haben - sind nach geltendem Recht noch kein Grund,
dass diese verwirkt werden. Ein Zweites, möchte ich deutlich sagen.
(Norbert Geis [CDU/CSU]: Das war weit überzogen, was Sie gerade gesagt haben!)
- Herr Geis, Sie kennen das Grundgesetz genauso
gut wie ich. Soll ich Ihnen es vorlesen?
(Norbert Geis [CDU/CSU]: Das brauchen Sie nicht! Ich habe den Herrn Marschewski ganz
anders verstanden als Sie!)
Da heißt es:
Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern... Alle
Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu
versammeln.
(Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Ausländer nicht!)
- Alle Deutschen, heißt es hier, auch solche mit extremistischen Gesinnungen. Für diese
Rechte werden wir kämpfen. Wir werden mit Gesetzen und darauf gestützten
Eingriffsmöglichkeiten verhindern, dass Terror stattfindet und Gewalt gebraucht wird.
Aber wir werden nicht die Grundrechte zur Disposition stellen.
(Norbert Geis [CDU/CSU]: Das hat Kollege Marschewski auch nicht gesagt!)
- Hören Sie doch einmal einen Moment zu und lassen Sie es mich in einem zweiten Punkt
noch deutlicher sagen. Sie haben gesagt: Wer Freiheit gegen Sicherheit ausspielt, wird
beides verwirken.
Genau dies ist aber der Auftrag der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, unserer Verfassung, dass Freiheit und Sicherheit immer
wieder in jedem einzelnen Punkt aufs Neue gegeneinander abgewogen werden müssen. Ohne
solche Abwägung hätten wir keine freiheitlich-demokratische Grundordnung mehr.
(Norbert Geis [CDU/CSU]: Aber nicht ausgespielt!)
- Nein, Art. 1 sagt unmissverständlich: Die
Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist oberste
Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Der Staat hat diese Würde zu achten. Sicherheit
muss gegen Freiheit abgewogen werden.
Wer hier so redet, als könne man auf diese Abwägung künftig verzichten oder bräuchte
sie von heute an nicht mehr zu treffen, der macht mir Angst.
(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Sie reden wie ein Obermoralist! - Norbert Geis [CDU/CSU]:
Das hat hier keiner gesagt!)
Mir sind Sicherheits- und Innenpolitiker, die diese Abwägung maßvoll und besonnen
treffen, lieber.
Ich danke Ihnen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Herr Kollege Marschewski, Sie wollen antworten? -
Bitte sehr.
Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Herr Kollege Häfner, der
Bundesinnenminister hat vorhin von "krausem Zeug" gesprochen. Das war gerade
auch krauses Zeug. Jeder deutsche Bürger hat das Recht, sich zu versammeln und zu
demonstrieren; Versammlungsfreiheit gilt selbstverständlich für alle. In Art. 18 steht aber: Wer dies zum Kampf gegen die
freiheitlich-demo kratische Grundordnung missbraucht - das tun Terroristen -, der verwirkt
diese Grundrechte. Das sollten Sie als Parlamentarier zumindest wissen, lieber Herr
Kollege.
(Beifall bei der CDU/CSU- Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat immer noch
das Recht auf einen rechtsstaatlichen Prozess!)
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