Rede des rechtspolitischen Sprechers der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen Volker Beck zu Gesetzentwürfen zur Bekämpfung des Terrorismus und Erhöhung der
inneren Sicherheit
Vom 11. Oktober 2001
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Geschätzter Kollege Bosbach, wir befinden uns
eben nicht in der eben von Ihnen beschriebenen Phase 3. Die Phase 3 gibt es bei dieser
Bundesregierung nicht, sondern wir sind gerade dabei, den ersten Teil der notwendigen
Maßnahmen zu ergreifen. Deshalb stimmt es nicht, dass sich hinterher nichts geändert
haben wird.
Die rot-grüne Koalition hat zügig eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht, um der
neuen Dimension des internationalen Terrorismus auch in Deutschland gerecht zu werden.
Rot-Grün stellt damit unter Beweis: Wir sind im Kampf gegen diese in ihrem Ausmaß und in
ihrer Brutalität völlig neue Form des Terrorismus nicht hilflos. Wir sind entschlossen,
als Teil der internationalen Staatengemeinschaft gemeinsam mit den USA die
Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
Mit dem so genannten Sicherheitspaket 1, das wir heute beraten, knüpfen wir die
Verbindung zwischen der notwendigen Effektivität bei der Kriminalitätsbekämpfung
einerseits sowie der strengen Beachtung rechts staatlicher Prinzipien andererseits,
beispielsweise des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
Denn eines ist klar: Wir lassen uns von den Terroristen nicht dazu verleiten, Freiheits-
und Bürgerrechte in unserem Land abzubauen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Diesen Gefallen werden wir ihnen nicht tun. Die Freiheit zu sichern und zu verteidigen ist
die Aufgabe des Rechtsstaates in unserer Demokratie. Deshalb wer den sich sämtliche
Maßnahmen, die diese Regierung bereits auf den Weg gebracht hat und in absehbarer Zeit
noch auf den Weg bringen wird, an folgen den Kriterien orientieren: Sie müssen geeignet,
erforderlich, zielgerichtet, verhältnismäßig, effektiv und zugleich praktikabel sein,
um das Ziel der Terrorismusbekämpfung zu erreichen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Es wird in Zukunft möglich sein, extremistische Gruppen, die sich bisher im Schein der
bei uns zu Recht verbürgten Religionsfreiheit gesonnt haben, nach den Vorschriften des
Vereinsgesetzes zu verbieten. Wir begrüßen es sehr, dass uns zahlreiche muslimische
Organisationen hierfür ihre Zustimmung erklärt haben. Die ganz überwiegende Anzahl der
bei uns lebenden Muslime weiß: Unsere Maßnahmen richten sich nicht gegen sie und nicht
gegen den Islam, sondern gegen diejenigen, die Religion instrumentalisieren, um Terror,
Gewalt und Schrecken zu säen. Für solche Gruppen gilt künftig das Privileg der
Religionsfreiheit zu Recht nicht mehr.
Herr Bosbach, Sie haben vorhin die Frage der
Geheimdienste angesprochen. Unsere Fraktion und unsere Partei spricht sich dafür aus,
nicht eine Abschaffungsdebatte, sondern eine Qualitätsdebatte über die Arbeit der
Geheimdienste zu führen. Ich meine, eine solche Debatte ist - trotz aller Erfolge, die
die Geheimdienste in den letzten Wochen seit dem 11. September haben - durch aus
angebracht, denn wir müssen uns fragen: Warum haben wir so spät von dem Anschwellen
rechtsextremistischer Gewalt in den letzten Jahren Warnungen erhalten, warum gab es keine
Hinweise auf die Anschläge vom 11. September? Wenn Sie mit Geheimdienstleuten sprechen -
ich habe das in den letzen Wochen getan; ein Grüner tut dies vielleicht nicht jeden Tag
-, dann können Sie erkennen, dass es in bestimmten Bereichen der Geheimdienste personelle
und strukturelle Versäumnisse gibt, die man aufarbeiten muss.
(Albert Deß [CDU/CSU]: Sie hätten ja die Geheimdienste ganz abgeschafft!)
Allein die Forderung nach mehr Geld bringt kein Mehr an Qualität. Wir müssen vielmehr
genau hinsehen und das werden wir auch tun.
Ein weiterer Punkt: In der Gesellschaft gibt es eine Debatte über die Kronzeugenregelung.
Sie wollen mit Ihren Initiativen im Prinzip zurück zur alten Kronzeugenregelung.
(Norbert Geis [CDU/CSU]: Sie haben unsere Vorschläge ja nicht gelesen! Genau das schlagen
wir nicht vor!)
- Sie wollen den schmutzigen Deal des Staates mit Schwerverbrechern einführen. Dazu sagen
wir als Koalition ganz klar Nein.
(Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: "Schmutziger Deal"? - Norbert Geis
[CDU/CSU]: Sie sind die Saubermänner!)
Die alte Kronzeugenregelung hat schon bei der Bekämpfung des deutschen Linksterrorismus
nichts bewirkt. Nicht in einem einzigen Fall ist es gelungen, einen aktiven Terroristen
aus dem terroristischen Zusammenhang mit den Verlockungen der Kronzeugenregelung
herauszubrechen.
(Norbert Geis [CDU/CSU]: Warum wollen Sie dann jetzt die Kronzeugenregelung? Das ist doch
inkonsequent!)
Wir sollten der Öffentlichkeit nicht sagen, dass so etwas bei islamisch verblendeten, zum
Selbstmord entschlossenen Kamikaze-Terroristen gelingen könnte. Gleichwohl sagen wir:
Eine rechtsstaatlich vernünftige und vertretbare Regelung, die kein Sondergesetz schafft,
sondern eine neue Strafzumessungsregel für Aufklärungs- und Präventionsgehilfen
vorsieht, ist sinnvoll. Darüber werden wir in der Koalition reden und über dieses Thema
führen wir bereits Fachgespräche. Ich bin sicher, dass wir - auch unter Zuhilfenahme des
Rats der Fachleute bei der Anhörung im Rechtsausschuss, die wir gestern beschlossen haben
- zu einem vernünftigen Gesetz kommen werden.
Ihre Aufregung zeigt: Die Kompetenz und Entschiedenheit dieser Koalition auf dem Feld der
inneren Sicherheit steht außer Frage. Der "Stern" schreibt, das Thema
Sicherheit werde von der Regierung so gut abgedeckt, dass die Gegner von der Union keinen
Ball sehen, obwohl es eigentlich ein Heimspiel für sie sein müsste. Der
"Stern" hat Recht, sehr verehrte Damen und Herren von der Union. Soweit sie
nicht unsere Vorschläge begrüßen, sind die Rezepte, die Sie selber vorlegen, gänzlich
unbrauchbar und purer Aktionismus.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ihre Parteivorsitzende Angela Merkel stolpert derzeit nur so durch die innenpolitische
Landschaft. Mit Vorschlägen nach einem Bundessicherheitshauptamt oder Polizeibefugnissen
für die Bundeswehr macht sie sich von Woche zu Woche lächerlicher. Es ist nur zu leicht
zu durchschauen, wozu der Prüfauftrag in Sachen vermehrter Einsatz der Bundeswehr im
Inland und Grundgesetzänderung, den Ihre Gremien vorsichtig erteilt haben, dienen soll:
Sie wollen Ihre taumelnde Parteivorsitzende stützen, obwohl Herr Stoiber längst das
Ruder übernommen hat.
(Lachen bei der CDU/CSU - Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: So etwas Blödes!)
Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Union, sollte Ihnen jemals Kompetenz in Sachen
innere Sicherheit zugeschrieben worden sein: In den letzten Tagen und Wochen haben Sie die
endgültig verspielt.
Mittlerweile hat man bei der Union längst den Überblick verloren, welches
Sicherheitspapier gerade aktuell ist; denn wöchentlich gibt es ein neues. Im Paper, das
Herr Bosbach Ende September vorgelegt hat, steht kein einziges Wort zur internationalen
Dimension des Terrors. In der letzten Woche haben Sie einige diesbezügliche Vorschläge
von der Koalition übernommen. Das ist auch gut so. Selbstverständlich sind auch wir für
den Ausbau von Europol und Eurojust. Wir wollen den Ausbau zwar ausdrücklich. Aber wir
wollen auch, dass die Fundamente stimmen. Wir wollen, dass es hier eine justizielle und
parlamentarische Kontrolle gibt. Manche bestehenden Regelungen bezüglich Europol sind -
das muss ich deutlich sagen - ein Hindernis, um die erforderliche Ausweitung der
europäischen Kooperation im Bereich der Polizei voranzutreiben. Wir wollen diese
Hindernisse beseitigen.
Ein weiterer Punkt ist die Bekämpfung der Geldwäsche. Diese scheint Teilen des Hauses
große Sorgen zu bereiten. Ich muss Ihnen ganz deutlich sagen: Wer den Terroristen nicht
durch Lockerung des Bankgeheimnisses den Geldhahn zudrehen will, stellt ein
Sicherheitsrisiko für diese Republik dar.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Wolfgang Freiherr von
Stetten [CDU/CSU]: Das müssen Sie uns sagen, Herr Beck! Das ist ja unglaublich!)
Das, was Herr Eichel dazu vorgelegt hat, ist in keiner Weise zu kritisieren. Das ist wohl
abgewogen und klug durchdacht. Es muss niemand Angst haben, dass unbescholtenen Bürgern
in die Konten geschaut wird. Mich verwundert in diesem Zusammenhang nur: Sie haben zwar
keine Scheu, den Lausch- und Spähangriff einzuführen, um Menschen in ihren
Privatwohnungen abhören zu können,
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
aber wenn es an das heilige Konto und das Bankgeheimnis geht,
(Margot von Renesse [SPD]: Dann ist alle!)
dann stehen Union und FDP auf einmal auf den Bänken, dann gibt es Proteststürme und dann
sind die Bürgerrechte in Gefahr.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)
Ich glaube, angesichts der terroristischen Gefahr setzen Sie die falschen Prioritäten.
Ich bin deshalb froh, dass wir eine so kooperative, vernünftige, entschlossene, aber auch
besonnene Bundesregierung haben.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Norbert Geis [CDU/CSU]: Dann
werden auch Ihre Bankkonten offen sein! Dann werden wir sehen, was Sie so alles in
Anspruch nehmen!)
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