Gesetz,
betreffend die Grundrechte des deutschen Volks.
[vom 27. Dezember 1848]
Der Reichsverweser, in Ausführung des Beschlusses der
Reichsversammlung vom 21. Dezember 1848, verkündet als Gesetz:
I. Grundrechte des deutschen Volks
Dem deutschen Volke sollen die nachstehenden Grundrechte
gewährleistet sein. Sie sollen den Verfassungen der deutschen Einzelstaaten zur Norm
dienen, und keine Verfassung oder Gesetzgebung eines deutschen Einzelstaates soll
dieselben je aufheben oder beschränken können.
Artikel 1.
§. 1.
Das deutsche Volk besteht aus den Angehörigen der Staaten, welche das deutsche
Reich bilden.
§. 2.
Jeder Deutsche hat das deutsche Reichsbürgerrecht. Die ihm Kraft
dessen zustehenden Rechte kann er in jedem deutschen Lande ausüben. Ueber das Recht, zur
deutschen Reichsversammlung zu wählen, verfügt das Reichswahlgesetz.
§. 3.
[1] Jeder Deutsche hat das Recht, an jedem Orte des Reichsgebietes
seinen Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen, Liegenschaften jeder Art zu erwerben und
darüber zu verfügen, jeden Nahrungszweig zu betreiben, das Gemeindebürgerrecht zu
gewinnen.
[2] Die Bedingungen für den Aufenthalt und Wohnsitz werden durch ein
Heimathsgesetz, jene für den Gewerbebetrieb durch eine Gewerbeordnung für ganz
Deutschland von der Reichsgewalt festgesetzt.
§. 4.
Kein deutscher Staat darf zwischen seinen Angehörigen und andern
Deutschen einen Unterschied im bürgerlichen, peinlichen und Prozeß-Rechte machen,
welcher die letzteren als Ausländer zurücksetzt.
§. 5.
Die Strafe des bürgerlichen Todes soll nicht stattfinden, und da,
wo sie bereits ausgesprochen ist, in ihren Wirkungen aufhören, soweit nicht hierdurch
erworbene Privatrechte verletzt werden.
§. 6.
[1] Die Auswanderungsfreiheit ist von Staatswegen nicht
beschränkt; Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden.
[2] Die Auswanderungsangelegenheit steht unter dem Schutze und der Fürsorge des
Reiches.
Artikel 2.
§. 7.
[1] Vor dem Gesetze gilt kein Unterschied der Stände. Der Adel
als Stand ist aufgehoben.
[2] Alle Standesvorrechte sind abgeschafft.
[3] Die Deutschen sind vor dem Gesetze gleich.
[4] Alle Titel, in soweit sie nicht mit einem Amte verbunden sind, sind aufgehoben
und dürfen nie wieder eingeführt werden.
[5] Kein Staatsangehöriger darf von einem auswärtigen Staate einen Orden
annehmen.
[6] Die öffentlichen Ämter sind für alle Befähigten gleich zugänglich.
[7] Die Wehrpflicht ist für alle gleich; Stellvertretung bei derselben findet
nicht statt.
Artikel 3.
§. 8.
[1] Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Die Verhaftung
einer Person soll, außer im Falle der Ergreifung auf frischer That, nur geschehen in
Kraft eines richterlichen, mit Gründen versehenen Befehls. Dieser Befehl muß im
Augenblicke der Verhaftung oder innerhalb der nächsten vier und zwanzig Stunden dem
Verhafteten zugestellt werden.
[2] Die Polizeibehörde muß Jeden, den sie in Verwahrung genommen hat, im Laufe
des folgenden Tages entweder freilassen oder der richterlichen Behörde übergeben.
[3] Jeder Angeschuldigte soll gegen Stellung einer vom Gericht zu bestimmenden
Caution oder Bürgschaft der Haft entlassen werden, sofern nicht dringende Anzeigen eines
schweren peinlichen Verbrechens gegen denselben vorliegen.
[4] Im Falle einer widerrechtlich verfügten oder verlängerten Gefangenschaft ist
der Schuldige und nöthigenfalls der Staat dem Verletzten zur Genugthuung und
Entschädigung verpflichtet.
[5] Die für das Heer- und Seewesen erforderlichen Modifikationen dieser
Bestimmungen werden besonderen Gesetzen vorbehalten.
§. 9.
Die Todesstrafe, ausgenommen wo das Kriegsrecht sie vorschreibt,
oder das Seerecht im Fall von Meutereien sie zuläßt, so wie die Strafen des Prangers,
der Brandmarkung und der körperlichen Züchtigung, sind abgeschafft.
§. 10.
[1] Die Wohnung ist unverletzlich.
[2] Eine Haussuchung ist nur zulässig: |
|
1) In Kraft eines richterlichen mit Gründen versehenen Befehls, welcher
sofort oder innerhalb der nächsten vier und zwanzig Stunden dem Betheiligten zugestellt
werden soll,
2) Im Falle der Verfolgung auf frischer That durch den gesetzlich berechtigten Beamten,
3) In den Fällen und Formen, in welchen das Gesetz ausnahmsweise bestimmten Beamten auch
ohne richterlichen Befehl dieselbe gestattet. |
[3] Die Haussuchung muß, wenn thunlich, mit Zuziehung
von Hausgenossen erfolgen.
[4] Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist kein Hinderniß der Verhaftung eines
gerichtlich Verfolgten. |
§. 11.
Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren darf, außer bei einer
Verhaftung oder Haussuchung, nur in Kraft eines richterlichen, mit Gründen versehenen
Befehls vorgenommen werden, welcher sofort oder innerhalb der nächsten vier und zwanzig
Stunden dem Betheiligten zugestellt werden soll.
§. 12.
[1] Das Briefgeheimniß ist gewährleistet.
[2] Die bei strafgerichtlichen Untersuchungen und in Kriegsfällen nothwendigen
Beschränkungen sind durch die Gesetzgebung festzustellen.
Artikel 4.
§. 13.
[1] Jeder Deutsche hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck und
bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern.
[2] Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise durch
vorbeugende Maßregeln, namentlich Censur, Concessionen, Sicherheitsbestellungen,
Staatsauflagen, Beschränkungen der Druckereien oder des Buchhandels, Postverbote oder
andere Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt, suspendirt oder aufgehoben werden.
[3] Ueber Preßvergehen, welche von Amts wegen verfolgt werden, wird durch
Schwurgerichte geurtheilt.
[4] Ein Preßgesetz wird vom Reiche erlassen werden.
Artikel 5.
§. 14.
[1] Jeder Deutsche hat volle Glaubens- und Gewissensfreiheit.
[2] Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Ueberzeugung zu offenbaren.
§. 15.
[1] Jeder Deutsche ist unbeschränkt in der gemeinsamen
häuslichen und öffentlichen Uebung seiner Religion.
[2] Verbrechen und Vergehen, welche bei Ausübung dieser Freiheit begangen werden,
sind nach dem Gesetze zu bestrafen.
§. 16.
Durch das religiöse Bekenntniß wird der Genuß der bürgerlichen
und staatsbürgerlichen Rechte weder bedingt noch beschränkt. Den staatsbürgerlichen
Pflichten darf dasselbe keinen Abbruch thun.
§. 17.
[1] Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre
Angelegenheiten selbstständig, bleibt aber den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen.
[2] Keine Religionsgesellschaft genießt vor andern Vorrechte durch den Staat; es
besteht fernerhin keine Staatskirche.
[3] Neue Religionsgesellschaften dürfen sich bilden; einer Anerkennung ihres
Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht.
§. 18.
Niemand soll zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit gezwungen werden.
§. 19.
Die Formel des Eides soll künftig lauten: "So wahr mir Gott helfe".
§. 20.
[1] Die bürgerliche Gültigkeit der Ehe ist nur von der
Vollziehung des Civilactes abhängig; die kirchliche Trauung kann nur nach der Vollziehung
des Civilactes stattfinden.
[2] Die Religionsverschiedenheit ist kein bürgerliches Ehehinderniß.
§. 21.
Die Standesbücher werden von den bürgerlichen Behörden geführt.
Artikel 6.
§. 22.
Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.
§. 23.
Das Unterrichts- und Erziehungswesen steht unter der Oberaufsicht
des Staats, und ist, abgesehen vom Religionsunterricht, der Beaufsichtigung der
Geistlichkeit als solcher enthoben.
§. 24.
[1] Unterrichts- und Erziehungsanstalten zu gründen, zu leiten
und an solchen Unterricht zu ertheilen, steht jedem Deutschen frei, wenn er seine
Befähigung der betreffenden Staatsbehörde nachgewiesen hat.
[2] Der häusliche Unterricht unterliegt keiner Beschränkung.
§. 25.
[1] Für die Bildung der deutschen Jugend soll durch öffentliche
Schulen überall genügend gesorgt werden.
[2] Eltern oder deren Stellvertreter dürfen ihre Kinder oder Pflegebefohlenen
nicht ohne den Unterricht lassen, welcher für die unteren Volksschulen vorgeschrieben
ist.
§. 26.
[1] Die öffentlichen Lehrer haben die Rechte der Staatsdiener.
[2] Der Staat stellt unter gesetzlich geordneter Betheiligung der Gemeinden aus der
Zahl der Geprüften die Lehrer der Volksschulen an.
§. 27.
[1] Für den Unterricht in Volksschulen und niederen Gewerbeschulen wird kein
Schulgeld bezahlt.
[2] Unbemittelten soll auf allen öffentlichen Unterrichtsanstalten freier
Unterricht gewährt werden.
§. 28.
Es steht einem Jeden frei, seinen Beruf zu wählen und sich für
denselben auszubilden, wie und wo er will.
Artikel 7.
§. 29.
[1] Die Deutschen haben das Recht, sich friedlich und ohne Waffen
zu versammeln; einer besonderen Erlaubniß dazu bedarf es nicht.
[2] Volksversammlungen unter freiem Himmel können bei dringender Gefahr für die
öffentliche Ordnung und Sicherheit verboten werden.
§. 30.
Die Deutschen haben das Recht, Vereine zu bilden. Dieses Recht
soll durch keine vorbeugende Maßregel beschränkt werden.
§. 31.
Die in den §§. 29 und 30
enthaltenen Bestimmungen finden auf das Heer und die Kriegsflotte Anwendung, insoweit die
militärischen Disciplinarvorschriften nicht entgegenstehen.
Artikel 8.
§. 32.
[1] Das Eigenthum ist unverletzlich.
[2] Eine Enteignung kann nur aus Rücksichten des gemeinen Besten, nur auf Grund
eines Gesetzes und gegen gerechte Entschädigung vorgenommen werden.
[3] Das geistige Eigenthum soll durch die Reichsgesetzgebung geschützt werden.
§. 33.
[1] Jeder Grundeigenthümer kann seinen Grundbesitz unter Lebenden
und von Todes wegen ganz oder theilweise veräußern. Den Einzelstaaten bleibt
überlassen, die Durchführung des Grundsatzes der Theilbarkeit alles Grundeigenthums
durch Uebergangsgesetze zu vermitteln.
[2] Für die todte Hand sind Beschränkungen des Rechts, Liegenschaften zu erwerben
und über sie zu verfügen, im Wege der Gesetzgebung aus Gründen des öffentlichen Wohls
zulässig.
§. 34.
Jeder Unterthänigkeits- und Hörigkeitsverband hört für immer auf.
§. 35.
Ohne Entschädigung sind aufgehoben: |
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1) Die Patrimonialgerichtsbarkeit und die grundherrliche Polizei, sammt
den aus diesen Rechten fließenden Befugnissen, Exemtionen und Abgaben.
2) Die aus dem guts- und schutzherrlichen Verbande fließenden persönlichen Abgaben und
Leistungen.
Mit diesen Rechten fallen auch die Gegenleistungen und Lasten weg, welche dem bisher
Berechtigten dafür oblagen. |
§. 36.
[1] Alle auf Grund und Boden haftenden Abgaben und Leistungen,
insbesondere die Zehnten, sind ablösbar: ob nur auf Antrag des Belasteten oder auch des
Berechtigten, und in welcher Weise, bleibt der Gesetzgebung der einzelnen Staaten
überlassen.
[2] Es soll fortan kein Grundstück mit einer unablösbaren Abgabe oder Leistung
belastet werden.
§. 37.
[1] Im Grundeigenthum liegt die Berechtigung zur Jagd auf eignem
Grund und Boden.
[2] Die Jagdgerechtigkeit auf fremden Grund und Boden, Jagddienste, Jagdfrohnden
und andere Leistungen für Jagdzwecke sind ohne Entschädigung aufgehoben.
[3] Nur ablösbar jedoch ist die Jagdgerechtigkeit, welche erweislich durch einen
lästigen mit dem Eigenthümer des belasteten Grundstücks abgeschlossenen Vertrag
erworben ist; über die Art und Weise der Ablösung haben die Landesgesetzgebungen das
Weitere zu bestimmen.
[4] Die Ausübung des Jagdrechts aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und des
gemeinen Wohls zu ordnen, bleibt der Landesgesetzgebung vorbehalten.
[5] Die Jagdgerechtigkeit auf fremdem Grund und Boden darf in Zukunft nicht wieder
als Grundgerechtigkeit bestellt werden.
§. 38.
[1] Die Familienfideicommisse sind aufzuheben. Die Art und
Bedingungen der Aufhebung bestimmt die Gesetzgebung der einzelnen Staaten.
[2] Ueber die Familienfideicommisse der regierenden fürstlichen Häuser bleiben
die Bestimmungen den Landesgesetzgebungen vorbehalten.
§. 39.
Aller Lehensverband ist aufzuheben. Das Nähere über die Art und
Weise der Ausführung haben die Gesetzgebungen der Einzelstaaten anzuordnen.
§. 40.
Die Strafe der Vermögenseinziehung soll nicht stattfinden.
Artikel 9.
§. 41.
Alle Gerichtsbarkeit geht vom Staate aus. Es sollen keine Patrimonialgerichte
bestehen.
§. 42.
[1] Die richterliche Gewalt wird selbstständig von den Gerichten
geübt. Cabinets- und Ministerialjustiz ist unstatthaft.
[2] Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Ausnahmegerichte
sollen nie stattfinden.
§. 43.
[1] Es soll keinen privilegirten Gerichtsstand der Personen oder
Güter geben.
[2] Die Militärgerichtsbarkeit ist auf die Aburtheilung militärischer Verbrechen
und Vergehen, so wie der Militär-Disciplinarvergehen beschränkt, vorbehaltlich der
Bestimmungen für den Kriegsstand.
§. 44.
[1] Kein Richter darf, außer durch Urtheil und Recht, von seinem
Amte entfernt, oder an Rang und Gehalt beeinträchtigt werden.
[2] Suspension darf nicht ohne gerichtlichen Beschluß erfolgen.
[3] Kein Richter darf wider seinen Willen, außer durch gerichtlichen Beschluß in
den durch das Gesetz bestimmten Fällen und Formen, zu einer andern Stelle versetzt oder
in Ruhestand gesetzt werden.
§. 45.
[1] Das Gerichtsverfahren soll öffentlich und mündlich sein.
[2] Ausnahmen von der Oeffentlichkeit bestimmt im Interesse der Sittlichkeit das
Gesetz.
§. 46.
[1] In Strafsachen gilt der Anklageprozeß.
[2] Schwurgerichte sollen jedenfalls in schwereren Strafsachen und bei allen
politischen Vergehen urtheilen.
§. 47.
Die bürgerliche Rechtspflege soll in Sachen besonderer
Berufserfahrung durch sachkundige, von den Berufsgenossen frei gewählte Richter geübt
oder mitgeübt werden.
§. 48.
[1] Rechtspflege und Verwaltung sollen getrennt und von einander
unabhängig sein.
[2] Ueber Competenzconflicte zwischen den Verwaltungs- und Gerichtsbehörden in den
Einzelstaaten entscheidet ein durch das Gesetz zu bestimmender Gerichtshof.
§. 49.
[1] Die Verwaltungsrechtspflege hört auf; über alle
Rechtsverletzungen entscheiden die Gerichte.
[2] Der Polizei steht keine Strafgerichtsbarkeit zu.
§. 50.
[1] Rechtskräftige Urtheile deutscher Gerichte sind in allen
deutschen Landen gleich wirksam und vollziehbar.
[2] Ein Reichsgesetz wird das Nähere bestimmen.
II. Einführungs-Gesetz
Die Grundrechte des deutschen Volks werden in ganzem Umfange des
deutschen Reichs unter nachfolgenden Bestimmungen hiermit eingeführt:
Art. 1.
[1] Mit diesem Reichsgesetze treten in Kraft die
Bestimmungen: |
|
1) der Paragraphen eins und zwei,
2) des Paragraphen drei, jedoch in Beziehung auf Aufenthalt,
Wohnsitz und Gewerbebetrieb unter Vorbehalt der in Aussicht gestellten Reichsgesetze,
3) der Paragraph vier, fünf und sechs,
4) des Paragraphen sieben unter Vorbehalt der in Art. 3. und 8. dieses Gesetzes enthaltenen
Beschränkungen,
5) des Paragraphen acht, und zwar rücksichtlich des letzten,
Heer- und Seewesen betreffenden, Absatzes unter Verweisung auf Art. 3.
dieses Gesetzes.
6) des Paragraphen zehn, unter Vorbehalt der unter Art. 3. und 7. enthaltenen Bestimmungen,
7) der Paragraphen eilf und zwölf,
8) des Paragraphen dreizehn, mit der Maßgabe, daß, wo
Schwurgerichte noch nicht eingeführt sind, bis zu deren Einführung über Preßvergehen
die bestehenden Gerichte entscheiden,
9) der Paragraphen vierzehn, fünfzehn, sechszehn, so wie des zweiten und dritten Absatzes im Paragraphen siebenzehn, und des Paragraphen achtzehn,
10) der Paragraphen zweiundzwanzig, vierundzwanzig,
fünfundzwanzig und achtundzwanzig,
11) der Paragraphen neunundzwanzig, dreißig
und einunddreißig,
12) des Paragraphen zweiunddreißig, des zweiten Absatzes im
Paragraphen dreiunddreißig, der Paragraphen vierunddreißig,
fünfunddreißig, mit Ausnahme des ersten Absatzes (Art. 3. 8), des zweiten Absatzes im Paragraphen sechsunddreißig,
dann siebenunddreißig unter Vorbehalt der über die Ablösung
der betreffenden Jagdgerechtigkeiten und über die Ausübung des Jagdrechts zu erlassenden
Gesetze (Art. 4.),
13) des Paragraphen zweiundvierzig und des ersten Absatzes im
Paragraphen vierundvierzig. |
[2] Alle Bestimmungen einzelner Landesrechte, welche
hiermit in Widerspruch stehen, treten außer Kraft. |
Art. 2.
In Beziehung auf den im Paragraphen siebenzehn
ausgesprochenen Grundsatz der Selbstständigkeit der Religionsgesellschaften sollen die
organischen Einrichtungen und Gesetze, welche für die bestehenden Kirchen zur
Durchführung dieses Princips erforderlich sind, in den Einzelstaaten möglichst bald
getroffen und erlassen werden.
Art. 3.
Abänderungen oder Ergänzungen der
Landesgesetzgebungen, soweit dieselben durch die folgenden Bestimmungen der Grundrechte
geboten sind, sollen ungesäumt auf verfassungsmäßigem Wege getroffen werden, und zwar |
|
1) statt der im Paragraphen neun und Paragraphen vierzehn abgeschafften Strafen des Todes, des Prangers, der
Brandmarkung, der körperlichen Züchtigung und der Vermögensentziehung durch gesetzliche
Feststellung einer anderweiten Bestrafung der betreffenden Verbrechen;
2) durch Ausfüllung der Lücken, welche in Folge der im Paragraphen sieben
ausgesprochenen Aufhebung der Standesunterschiede im Privatrecht eintreten;
3) durch Regelung der Wehrpflicht auf Grund der im Paragraphen sieben
enthaltenen Vorschrift;
4) durch Feststellung der beim Heer- und Seewesen vorbehaltenen Modifikationen des
Paragraphen acht;
5) durch Erlassung der Gesetze, welche den dritten im Paragraphen zehn
erwähnten Fall der Haussuchung ordnen;
6) durch Erlassung der nach Paragraph neunzehn, zwanzig
und einundzwanzig erforderlichen Vorschriften über Eid, Ehe und
Standesbücher;
7) durch Einrichtung des Schulwesens auf Grund der Paragraphen dreiundzwanzig,
sechsundzwanzig und siebenundzwanzig;
8) durch Aenderungen im Gerichts- und Verwaltungswesen gemäß den Bestimmungen des
Paragraphen fünfunddreißig im ersten Absatz, der Paragraphen einundvierzig, dreiundvierzig, vierundvierzig im zweiten und dritten Absatze, sowie der Paragraphen
fünfundvierzig bis einschließlich neunundvierzig. |
Art. 4.
Ebenso ist ungesäumt die weitere Feststellung der in den
Paragraphen dreiunddreißig, sechsunddreißig
bis einschließlich neununddreißig geordneten
Eigentumsverhältnisse in den einzelnen Staaten vorzunehmen.
Art. 5.
Die Erlassung und Ausführung der vorstehend gedachten neuen
Gesetze sollen von Reichs wegen überwacht werden.
Art. 6.
Bis zur Erlassung der in den Paragraphen drei,
dreizehn und zweiunddreißig und fünfzig erwähnten Reichsgesetze sind die betreffenden
Verhältnisse der Landesgesetzgebung unterworfen.
Art. 7.
In den Fällen, in welchen nach dem Vorstehenden neue Gesetze
erforderlich oder in Aussicht gestellt sind, bleiben bis zur Erlassung derselben und die
betreffenden Verhältnisse die bisherigen Gesetze in Kraft. Rücksichtlich der Haussuchung
bleibt denjenigen öffentlichen Beamten, welche zum Schutz der Abgabenerhebung und des
Waldeigenthums zur Haussuchung befugt sind, vorläufig diese Befugniß.
Art. 8.
[1] Abänderungen der Grundverfassung
einzelner deutschen Staaten, welche durch die Abschaffung der Standesvorrechte
nothwendigen werden, sollen innerhalb sechs Monaten durch die gegenwärtigen Organe der
Landesgesetzgebung nach folgenden Bestimmungen herbeigeführt werden: |
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1) die durch die Verfassungsurkunden für den Fall der
Verfassungsänderung vorgeschriebenen Erschwerungen der Beschlußnahme finden keine
Anwendung, vielmehr ist in den Formen der gewöhnlichen Gesetzgebung zu verfahren;
2) wenn in Staaten, wo zwei Kammern bestehen, dieser Weg keine Vereinigung herbeiführen
sollte, so treten diese zusammen, um in einer Versammlung durch einfache
Stimmenmehrheit die erforderlichen Beschlüsse zu fassen. |
[2] Uebrigens bleibt es den gegenwärtigen Organen der
Landesgesetzgebung unbenommen, sich darüber, daß die gedachten Abänderungen durch eine
neu zu wählende Landesversammlung vorgenommen werden, zu vereinbaren, für welche
Vereinbarungen die Bestimmungen unter 1) und 2) gleichfalls maßgebend sind.
[3] Sind in der bezeichneten Frist die betreffenden Gesetze nicht erlassen, so hat
die Reichsgewalt die Regierung des einzelnen Staates aufzufordern, ungesäumt auf der
Grundlage des Reichswahlgesetzes eine aus einer einzigen Kammer bestehende
Landesversammlung zur Revision der Landesverfassung und übrigen Gesetzgebung in
Uebereinstimmung mit den Beschlüssen der Nationalversammlung zu berufen.
Frankfurt, den 27. Dezember 1848.[1] |
Der Reichsverweser
Erzherzog Johann.
Die Reichsminister
H. v. Gagern. v. Peucker. v. Beckerath.
Duckwitz. R. Mohl.
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