Gesetz
über die Einführung einer provisorischen Centralgewalt für Deutschland.

[vom 27. September 1848]


  1) Bis zur definitiven Begründung einer Regierungsgewalt für Deutschland soll eine provisorische Centralgewalt für alle gemeinsamen Angelegenheiten der deutschen Nation bestellt werden.

  2) Dieselbe hat
a) die vollziehende Gewalt zu üben in allen Angelegenheiten, welche die allgemeine Sicherheit und Wohlfahrt des deutschen Bundesstaates betreffen;
b) die Oberleitung der gesammten bewaffneten Macht zu übernehmen, und namentlich die Oberbefehlshaber derselben zu ernennen;
c) die völkerrechtliche und handelspolitische Vertretung Deutschlands auszuüben, und zu diesem Ende Gesandte und Consuln zu ernennen;

  3) Die Errichtung des Verfassungswerks bleibt von der Wirksamkeit der Centralgewalt ausgeschlossen.

  4) Ueber Krieg und Frieden und über Verträge mit auswärtigen Mächten beschließt die Centralgewalt im Einverständniß mit der Nationalversammlung.

  5) Die provisorische Centralgewalt wird einem Reichsverweser übertragen, welcher von der Nationalversammlung gewählt wird.

  6) Der Reichsverweser übt seine Gewalt durch von ihm ernannte, der Nationalversammlung verantwortliche Minister aus. Alle Anordnungen desselben bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung wenigstens eines verantwortlichen Ministers.

  7) Der Reichsverweser ist unverantwortlich.

  8) Ueber die Verantwortlichkeit der Minister wird die Nationalversammlung ein besonderes Gesetz erlassen.

  9) Die Minister haben das Recht, den Berathungen der Nationalversammlung beizuwohnen und von derselben gehört zu werden.

  10) Die Minister haben die Verpflichtung, auf Verlangen der Nationalversammlung in derselben zu erscheinen und Auskunft zu ertheilen.

  11) Die Minister haben das Stimmrecht in der Nationalversammlung nur dann, wenn sie als deren Mitglieder gewählt sind.

  12) Die Stellung des Reichsverwesers ist mit der eines Abgeordneten der Nationalversammlung unvereinbar.

  13) Mit dem Eintritt der Wirksamkeit der provisorischen Centralgewalt hört das Bestehen des Bundestages auf.

  14) Die Centralgewalt hat sich in Beziehung auf die Vollziehungsmaßregeln, so weit thunlich, mit den Bevollmächtigten der Landesregierungen ins Einvernehmen zu setzen.

  15) Sobald das Verfassungswerk für Deutschland vollendet und in Ausführung gebracht ist, hört die Thätigkeit der provisorischen Centralgewalt auf.


Angenommen in der 26. öffentlichen Sitzung vom 28. Juli 1848 mit 450 gegen 100 Stimmen.


  Zur Beurkundung
  Frankfurt, den 27. September 1848.[1]


Der Präsident der deutschen Nationalversammlung
H. v. Gagern.

Der Schriftführer
Dr. Ed. Simson.

 

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Anmerkung:
[1] Dieses Reichsgesetz wurde am 29. September 1848 verkündet.


Quelle: Reichs-Gesetz-Blatt 1848, S. 3-4.


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
Gesetz über die Einführung einer provisorischen Centralgewalt für Deutschland (27.09.1848), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/nzjh/1848/provisorische-centralgewalt_ges.html, Stand: aktuelles Datum.


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Letzte Änderung: 03.01.2004
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