Disciplinar-Strafordnung für das deutsche Reichsheer;
vom 22. April 1849.
§.1.
Der Disciplinar-Strafgewalt sind unterworfen: |
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1) alle Militärpersonen des deutschen Reichsheeres, sowohl die
streitbaren, als des nicht streitbaren Standes;
2) alle dem deutschen Reichsheere während dessen Verwendung im Reichsdienste sonst
zugetheilten, oder in dessen Gefolge befindlichen Personen;
3) die Kriegsgefangenen. |
§. 2.
Der Disciplinar-Bestrafung unterliegen: |
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1) Zuwiderhandlungen gegen die militärische Zucht und Ordnung und
Uebertretungen der Dienstvorschriften, für welche die Militärgesetze nicht eine, die
Grenzen der Disciplinar-Strafgewalt übersteigende Strafe vorschreiben;
2) die Ubertretungen militär-polizeilicher Anordnungen;
3) militärische Vergehen insoweit, als die Militärgesetze deren Bestrafung im
Disciplinarwege ausdrücklich gestatten, wie z. B. geringere Grade des Ungehorsams gegen
Vorgesetzte in und außer dem Dienst, Verletzung der Ehrerbietung gegen Vorgesetzte und
Obere, Streitigkeiten und Raufhändel. |
Zweiter Abschnitt.
Von der Disciplinar-Bestrafung der Militärpersonen des streitbaren Standes.
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§. 3.
I. Disciplinar-Strafen.
Als Disciplinar-Strafen sind für Militärpersonen des streitbaren Standes (des
Soldatenstandes) nur folgende Strafen zulässig.
A. Für Offiziere:
1) Verweis, |
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a) ohne Zeugen, oder im Beisein eines Vorgesetzten , - einfacher Verweis;
b) vor versammelten Offizierskorps - förmlicher Verweis;
c) durch schriftlichen Tagesbefehl - strenger Verweis; |
2) Zimmerarrest - gegen
Stabsoffiziere bis zu sieben, gegen Hauptleute und Rittmeister bis zu vierzehn, und gegen
Offiziere niederer Grade bis zu acht und zwanzig Tagen , - während dessen Verbüßung in
der eigenen Wohnung der Arrestat den Degen (Säbel) abgeben muß, Besuche nicht annehmen
und zum Dienste nicht herangezogen werden darf. |
B. Für Unteroffiziere und die im Range ihnen gleichstehenden
Personen, so wie für Vice-Unteroffiziere:
1) Die Auferlegung gewisser, ihrer Stellung
entsprechender Dienstverrichtungen außer der Reihe, mit einer angemessenen
Zeitbestimmung;
2) Verweis vor versammelten Offizieren und Unteroffizieren der Kompagnie, Schwadron
oder Batterie;
3) Kasernen-, Stuben- oder Quartier-Arrest bis zu acht und zwanzig Tagen, wobei der
Dienst von ihnen versehen wird;
4) einsamer Arrest in einem Gefängniß bei harter Lagerstätte (Pritsche) und
zwar: |
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a) Arrest ersten Grades - gelinder Arrest - ohne Schärfung bis zu acht
und zwanzig Tagen;
b) Arrest zweiten Grades - mittler Arrest - bis zu vierzehn Tagen, wobei dem Arrestaten
unter Entziehung des Gebrauchs von Tabak, Wein, Branntwein, Bier und ähnlicher Genüsse
nur Wasser und Brot gereicht und bloß je am dritten Tage warme Speise verabfolgt, auch an
diesem Tage allein die Bewegung in freier Luft unter Aufsicht auf eine Stunde gestattet
wird. |
Wo Unteroffiziere bestehen, welche
mit keinen andern Disciplinar-Strafen als die Offiziere belegt werden dürfen, soll es
auch künftig dabei sein Verbleiben haben. Im Uebrigen sind die Unteroffiziere überall in
Bezug auf Disciplinar-Strafen in zwei Klassen zu theilen, und die in die erste Klasse
fallenden dürfen alsdann nicht mit einsamen Arrest zweiten Grades belegt werden. |
C. Für Gefreite und Soldaten, und die ihnen gleichstehenden
Militärpersonen.
1) Die Auferlegung gewisser Dienstverpflichtungen
außer der Reihe, mit angemessener Zeitbestimmung, wie namentlich: Exerzieren, Wachen,
Tagdienst, Stubendienst, Paraden, Arbeiten in der Kaserne, in den Ställen,
Montirungskammern, auf den Schießständen und dergleichen;
2) Bewirthschaftung der Löhnung durch einen Vorgesetzten;
3) Verweis vor versammelter Kompagnie, Schwadron oder Batterie;
4) Arreststrafen, und zwar: |
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a) Kasernen-, Stuben- oder Quartier-Arrest, sowie einsamer Arrest ersten
und zweiten Grades, ebenso wie für Unteroffiziere (B. 3, 4.);
b) Arrest dritten Grades - strenger Arrest - bis zu sieben Tagen, welcher in einem völlig
dunkeln Gefängniß, eben so wie der Arrest zweiten Grades, vollstreckt, und wobei dem
Arrestaten nur je am vierten Tage warme Speisen verabreicht, auch an diesem Tage allein
die Bewegung in freier Luft unter Aufsicht auf zwei Stunden erlaubt wird. |
§. 4.
Gestattet der Gesundheitszustand des zu Bestrafenden die Anwendung
des Arrestes dritten Grades nicht, so tritt Arrest zweiten Grades, und wenn auch dieser
aus gleichem Grunde nicht anwendbar ist, Arrest ersten Grades, - in beiden Fällen mit
einer dem härteren Arrestgrade entsprechenden Dauer - ein.
Die drei Grade des einsamen Arrestes (§ 3 B. C.) stehen in
folgendem Verhältniß:
1 Tag des einsamen Arrestes dritten Grades ist gleich 2 Tage einsamen Arrestes
zweiten Grades, gleich 4 Tagen einsamen Arrestes ersten Tages.
§. 5.
Ist auf dem Marsche, im Lager, oder
sonst außerhalb der Garnison, den örtlichen Umständen nach, der einsame Arrest nicht
vollstreckbar, so soll an dessen Stelle Arrest an der Stabs- und Brandwache mit
Beschränkung der gewohnten Bedürfnisse an Tabak, Wein, Bier oder Branntwein eintreten,
verbunden |
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a) beim Arrest zweiten Grades mit Heranziehen zu beschwerlichen
Dienstverrichtungen, oder, bei Soldaten, mit täglich zweistündigem Befestigen an eine
Wand, einen Baum oder eine Kanone;
b) beim Arrest dritten Grades aber mit täglich dreistündigem Befestigen wie zu a, unter
Gewährung einstündiger Ruhe nach 1½ Stunden. |
Das Befestigen des Arrestanten
geschieht - auf eine der Gesundheit desselben nicht nachtheilige Weise und nicht vor den
Augen des Publikums - in aufrechter Stellung, den Rücken nach der Wand etc. gekehrt,
dergestalt, daß er sich weder setzen noch niederlegen kann; auch darf dasselbe während
des Marsches nur an Ruhetagen stattfinden. |
II. Zuständigkeit der Militärbefehlshaber zur Verhängung von
Disciplinar-Strafen.
1. Im Allgemeinen:
§. 6.
Die Disciplinar-Strafgewalt steht den Offizieren zu, denen der
Befehl über eine oder mehrere Truppenabtheilungen, oder über ein abgesondertes Kommando,
oder über eine Militärbehörde, oder eine militärische Anstalt, mit Verantwortlichkeit
für die Disciplin übertragen ist und erstreckt sich auf die Untergebenen dieses
Dienstbereichs.
§. 7.
Alle anderen Offiziere (§. 6.) und die
Unteroffiziere haben keine Disciplinar-Strafgewalt. Es ist jedoch jeder Höhere im Range
so, wie der mit Strafgewalt versehene Befehlshaber, berechtigt, den nach dem Grade oder
bei gleichem Grade nach dem Dienstalter unter ihm stehenden Militärpersonen des
streitbaren Standes Zurechtweisungen und Rügen zu ertheilen; sie auch nöthigenfalls
vorläufig zu verhaften oder ihre Verhaftung zu bewirken.
Eine solche Verhaftung aber muß von ihm sofort dem nächsten mit
Disciplinar-Strafgewalt versehenen Vorgesetzten des Verhafteten gemeldet werden.
§. 8.
Die Disciplinar-Strafgewalt ist nicht an die Charge, sondern an
die Funktion geknüpft, und geht von selbst während der Stellvertretung auf den
Stellvertreter im Kommando über.
§. 9.
Ein jeder mit Disciplinar-Strafgewaklt versehene
Befehlshaber ist berechtigt: |
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a) gegen Unteroffiziere und Soldaten seines Dienstbereiches die für
dieselben nach §. 3 B. 1, 2 und C. 1, 2, 3 zulässigen kleineren
Disciplinar-Strafen, und
b) gegen die ihm untergebenen Offiziere einfache und förmliche Verweise zu verhängen. |
2. Insbesondere:
A. des Befehlshabers einer Kompagnie, Schwadron oder Batterie.
§. 10.
Die Befehlshaber einer Kompagnie, Schwadron oder
Batterie und die mit gleicher Strafgewalt versehenen Befehlshaber dürfen:
1) die ihnen untergebenen Offiziere mit Zimmerarrest bis zu vier und zwanzig
Stunden;
2) die Unteroffiziere und Soldaten ihres Dienstbereiches |
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a) mit Kasernen-, Stuben- oder Quartier-Arrest bis zu vierzehn Tagen, und
b) mit einsamen Arrest ersten Grades bis zu sieben Tagen; |
3) die nicht zur ersten Klasse gehörenden
Unteroffiziere (§. 3. B. 4. b.) und die Soldaten mit einsamen Arrest
zweiten Grades bis zu vier Tagen, und
4) die Soldaten mit einsamen Arrest dritten Grades bis zu zwei Tagen bestrafen. |
B. des Befehlshabers eines nicht selbstständigen Bataillons.
§. 11.
Die Befehlshaber der nicht selbstständigen Bataillone
und die mit gleicher Strafgewalt versehenen Befehlshaber sind berechtigt:
1) die ihnen untergebenen Offiziere mit Zimmerarrest bis zu vier Tagen;
2) die Unteroffiziere und Soldaten ihres Dienstbereiches |
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a) mit Kasernen-, Stuben- oder Quartier-Arrest bis zu ein und zwanzig
Tagen, und
b) mit einsamen Arrest ersten Grades bis zu vierzehn Tagen; |
3) die nicht zur ersten Klasse gehörenden
Unteroffiziere und die Soldaten mit einsamen Arrest zweiten Grades bis zu sieben Tagen,
und
4) die Soldaten mit einsamen Arrest dritten Grades bis zu vier Tagen zu bestrafen. |
C. des Befehlshabers eines Regiments oder selbstständigen
Bataillons.
§. 12.
Die Befehlshaber der Regimenter und selbstständigen
Bataillone und die mit gleicher Strafgewalt versehenen Befehlshaber dürfen:
1) die ihnen untergebenen Offiziere |
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a) mit strengem Verweis,
b) mit Zimmerarrest, und zwar die Staboffiziere bis zu sieben Tagen, die Hauptleute und
Rittmeister bis zu vierzehn Tagen, und die Offiziere niederer Grade bis zu acht und
zwanzig Tagen; |
2) die Unteroffiziere und Soldaten ihres
Dienstbereichs mit Kasernen-, Stuben-, Quartier- oder einsamen Arrest ersten Grades bis zu
acht und zwanzig Tagen;
3) die nicht zur ersten Klasse gehörenden Unteroffiziere und die Soldaten mit
einsamen Arrest zweiten Grades bis zu vierzehn Tagen, und
4) die Soldaten mit einsamen Arrest dritten Grades bis zu sieben Tagen bestrafen. |
D. der detachirten Offiziere und Unteroffiziere.
§. 13.
Dem detachirten Bataillons-Befehslahbern steht die
Disciplinar-Strafgewalt des Regiments-Befehlshabers, dem detachirten Befehlshaber einer
Kompagnie, Schwadron oder Batterie die des nicht selbstständigen
Bataillons-Befehlshabers, und dem detachirten Subaltern-Offizier, ohne Rücksicht auf den
Dienstgrad, diejenige des Befehlshabers einer Kompagnie so lange zu, als er außer der
gewöhnlichen Dienstverbindung mit seinem nächsten Vorgesetzten sich befindet und nicht
unter den Befehl eines andern, die Stelle dieses Vorgesetzten einnehmenden Befehlshabers
tritt.
Auch kann einem detachirten Unteroffizier für die Dauer des isolirten
Verhältnisses von dem ihn entsendenden Befehlshaber, insofern nach dessen Ermessen die
Umstände es erfordern, eine Disciplinar-Strafbefugniß in mäßigen Grenzen übertragen
werden.
E. der dem Regimentsbefehlshabers vorgesetzten höheren Befehlshaber,
der Gouverneure und Kommandanten in Festungen und offenen Orten.
§. 14.
Die dem Befehlshaber eines Regiments
vorgesetzten höheren Befehlshaber können Disciplinar-Strafen selbst verhängen, wenn die
zur Disciplinar-Bestrafung geeignete Handlung: |
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a) unter ihren Augen, oder
b) von Militärpersonen verschiedener Truppentheile ihres Dienstbereichs begangen, oder
c) ihnen zur Entscheidung oder zur Bestimmung der Strafen gemeldet, oder
d) von dem niederen Befehlshaber ohne gegründete Ursache unbestraft gelassen ist. |
§. 15.
Die Zuständigkeit der Gouverneure oder, je nach den besonderen Bestimmungen,
der Kommandanten in Festungen und offenen Orten tritt gegen alle am Orte befindlichen
Militärpersonen ein, wenn die zur Disciplinar-Bestrafung geeignete Handlung:
1) als Erceß gegen die allgemeine Sicherheit, Ruhe und Ordnung zu betrachten, oder
2) gegen eine besondere, in Beziehung auf die Festungswerke und
Vertheidigungsmittel bestehende Anordnung, oder
3) im Wacht- oder sonstigen Dienste des Platzes, oder
4) von einer Militärperson begangen ist, deren eigener mit Disciplinar-Strafgewalt
versehener Befehlshaber nicht in dienstlicher Eigenschaft am Orte ist.
§. 16.
Die in den §§. 14, 15
genannten höheren Befehlshaber, Gouverneure und Kommandanten sind, wenn sie danach oder
nach §. 17 in den Fall kommen, Disciplinar-Strafen zu verhängen, in
Betreff aller ihnen untergebenen Militärpersonen innerhalb derselben Grenzen zur
Verfügung dieser Strafen befugt, wie der Befehlshaber eines Regiments (§. 9,
12).
F. wenn zur Disciplinar-Bestrafung geeignete Handlungen von
Militärpersonen verschiedener Truppentheile gemeinschaftlich begangen werden.
§. 17.
Wenn außer den Fällen des §. 15 von mehreren
der Disciplinar-Strafgewalt verschiedener Befehlshaber unterworfenen Militärpersonen
gemeinschaftlich eine, zur Disciplinar-Bestrafung geeignete Handlung begangen wird, so
steht die Bestimmung der Strafe gegen alle Betheiligten dem nächsten gemeinschaftlichen
Befehlshaber, oder, wenn ein solcher Ort nicht vorhanden ist, dem Gouverneur oder
beziehungsweise dem Kommandanten und, in Ermangelung desselben, dem ältesten am Orte
befindlichen Befehlshaber zu.
G. Bei kombinirten Truppenkörpern.
§. 18.
Nach den Bestimmungen der §§. 6-17
regelt sich der Umfang des Disciplinar-Strafgewalt der Militär-Befehlshaber auch in dem
Falle, wenn Truppen-Abtheilungen verschiedener Einzelstaaten des deutschen Reichs zum
gemeinsamen Dienste mit einander zeitweilig vereinigt werden.
H. gegen Militärpersonen vom Stande der Beurlaubten.
§. 19.
In wie weit die in den §§. 6-17 enthaltenen Vorschriften auf die
nicht bei den Fahnen befindlichen Militärpersonen anzuwenden sind, bleibt vorläufig den
Bestimmungen der Einzelstaaten überlassen.
Dritter Abschnitt.
Von der Disciplinar-Bestrafung der Militär-Beamten und aller anderen nicht zum
streitbaren Stande gehörenden Militärpersonen.
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§. 21.
Gegen Militärbeamte und alle andere nicht zum streitbaren Stande
gehörende Militärpersonen können, nach Maßgabe ihres Ranges, dieselben
Disciplinar-Strafen verhängt werden, wie gegen Militärpersonen des streitbaren Standes.
Auch finden Geldstrafen gegen sie Statt, jedoch nur da, wo diese Strafen bisher üblich
waren.
§. 22.
Zur Disciplinar-Bestrafung dieser Personen (§. 21)
ist der Militärbefehlshaber, dem sie zunächst untergeben sind, berechtigt.
Stehen diese Militärpersonen sowohl unter einem Militär-Befehlshaber, als auch
unter einem Verwaltungs-Vorgesetzten (oder einer Verwaltungs-Behörde), so sind sie bei
Verletzung der Vorschriften, welche die Grundlage ihrer Amtswirksamkeit bilden,
ausschließlich der Disciplinar-Bestrafung der Verwaltungs-Vorgesetzten (oder der
Verwaltungs-Behörde) unterworfen.
Alle anderen zur Disciplinar-Bestrafung geeigneten Handlungen solcher
Militärpersonen gehören - wofern die ihnen ertheilten, zunächst hierbei maßgebenden
Dienst-Vorschriften es nicht anders bestimmen - zur Zuständigkeit des ihnen vorgesetzten
Befehlshabers.
Vierter Abschnitt.
Von der Disciplinar-Bestrafung der im §. 1 unter No. 2. und 3. erwähnten Personen.
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§. 23.
Auf die im §. 1 unter No. 2 und 3 genannten
Personen finden, wenn sie zum streitbaren Stande gehören, die für Personen des
streitbaren Standes in dieser Verordnung ertheilten Vorschriften nach Maßgabe ihres
Ranges Anwendung.
Gehören sie nicht zum streitbaren Stande, so sind in Absicht auf die
Disciplinar-Bestrafung die Vorschriften des §. 21 maßgebend; jedoch
muß dabei die Stellung dieser Personen im bürgerlichen Leben berücksichtigt werden.
Fünfter Abschnitt.
der Ausübung der Disciplinar-Strafgewalt und von der Vollstreckung der
Disciplinar-Strafen.
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I. Ausübung der Disciplinar-Strafgewalt.
§. 24.
Jeder mit Disciplinar-Strafgewalt versehene Befehlshaber soll
überall mit strengster Unparteilichkeit zu Werke gehen und wenn die strafbare Handlung
nicht mit Gewißheit aus seiner eignen Wahrnehmung, oder aus einer dienstlichen Meldung,
oder aus dem Geständniß des Beschuldigten hervorgeht, sowie überhaupt, wenn er über
die Schuld, oder den Grad der Strafbarkeit zweifelhaft ist, den Hergang der Sache durch
mündliche oder schriftliche Verhandlungen aufzuklären suchen.
§. 25.
Die Art und das Maaß der Disciplinar-Strafe hat der Befehlshaber,
innerhalb der Grenzen seiner Disciplinar-Strafgewalt, mit Berücksichtigung der Natur der
strafbaren Handlung, der Individualität des zu Bestrafenden, seiner bisherigen
Aufführung und etwaigen Rückfälligkeit, sowie des durch die Uebertretung mehr oder
minder gefährdeten Dienst-Interesses zu bestimmen.
§. 26.
Ein' und dieselben strafbare Handlung darf nur von einem
Befehlshaber bestraft und dafür nicht mehr als eine Disciplinar-Strafe auferlegt
werden.
§. 27.
Hat ein Soldat der Strafklasse (der zweiten Klasse des
Soldatenstandes) eine Arrest-Strafe verwirkt, so ist in der Regel einsamer Arrest des
zweiten oder dritten Grades zu verfügen.
§. 28.
Wenn ein nicht mit der höchsten Strafbefugniß versehener
Befehlshaber zwar eine Disciplinar-Strafe für zulässig, das Maaß der ihm zustehenden
Strafbefugniß aber für unzureichend erachtet, so hat er dem nächstvorgesetzten
Befehlshaber zur weiteren Bestimmung sogleich Meldung zu machen.
§. 29.
Zur Disciplinar-Bestrafung geeignete Handlungen, welche 90 Tage
nach der Verübung, oder 45 Tage nach der Anzeige bei dem betreffenden mit Strafgewalt
versehenen Befehlshaber unbestraft geblieben sind, dürfen, als verjährt, nicht mehr mit
Strafe belegt werden.
§. 30.
Ist ein gerichtlich zu bestrafendes Vergehen oder ein Verbrechen
nur mit einer Disciplinar-Strafe geahndet worden, so ist dadurch die Strafbarkeit nicht
getilgt, sondern das gerichtliche Verfahren dennoch zulässig, insofern nicht inzwischen
die Verjährung eingetreten sein sollte.
Bei Abmessung der Strafen soll aber auf die bereits verbüßte Disciplinar-Strafe
Rücksicht genommen werden.
II. Vollstreckung der Disciplinar-Strafen.
§. 31.
Die Vollstreckung der Disciplinar-Strafen muß, sofern die
Umstände es nur irgend gestatten, sogleich nach deren Festsetzung erfolgen. Ist die
Strafe von einem höhern Befehlshaber verhängt, so bleibt es seinem Ermessen überlassen,
den Vollzug derselben entweder selbst anzuordnen, oder dem unmittelbaren Befehlshaber des
zu Bestrafenden zu übertragen.
§. 32.
Die Militär-Befehlshaber und die Verwaltungs-Vorgesetzten haben
von der, gegen einen ihnen Beiden untergeordneten Militär-Beamten verhängten
Disciplinar-Strafe, insofern dieselbe bloß in einem einfachen Verweise besteht, sich
gegenseitig Mittheilung zu machen, und die Verwaltungs-Vorgesetzten den Vollzug der von
ihnen verhängten Arreststrafen den Militär-Befehlshabern zu überlassen.
Sechster Abschnitt.
Von der Beschwerdeführung über Disciplinar-Bestrafung.
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§. 33.
Beschwerden über
Disciplinar-Bestrafung, sowie Gesuche um Milderung oder Erlassung verhängter
Dienst-Strafen dürfen nur im Dienstwege, und zwar |
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a) blos von dem Bestraften selbst, ohne Mitwirkung Anderer,
b) bei dem unmittelbaren Vorgesetzten desjenigen, der die Strafe verfügt hat, und
c) in der für dienstliche Beschwerden und Gesuche vorgeschriebenen Form
angebracht werden. |
§. 34.
Das Zusammentreten in Vereine, sowie jede sonstige Versammlung von
Militärpersonen des streitbaren Standes, zur Berathschlagung über die Anfertigung und
Anbringung solcher Beschwerden oder Gesuche (§. 33) darf, wie
überhaupt zu Beschwerden und Gesuchen (Petitionen) in dienstlichen Angelegenheiten, nicht
stattfinden.
§. 35.
Ob auf die erhobene Beschwerde der Vollzug der Strafe ausgesetzt
werden soll, hängt von dem Ermessen desjenigen, der die Strafe verfügt hat, unter seiner
persönlichen Verantwortlichkeit ab.
Auch kann der Vorgesetzte, der über die Beschwerde zu entscheiden hat, bevor er
diese Entscheidung trifft, den Vollzug der Strafe aussetzen oder unterbrechen.
Siebenter Abschnitt.
Von der Beaufsichtigung der Militär-Befehlshaber in Absicht auf die richtige Anwendung
der Disciplinar-Strafgewalt.
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§. 36.
Die höheren Befehlshaber haben die gerechte und zweckmäßige
Anwendung der, den ihnen untergebenen niederen Befehlshabern gesetzlich zustehenden
Strafbefugnisse, namentlich durch genaue Prüfung der Straflisten, sorgfältig zu
überwachen.
§. 37.
Finden die höheren Befehlshaber, daß eine von dem niederen Befehlshaber
verfügte Disciplinar-Strafe:
1) entweder ihrer Art oder ihrer Dauer nach ungesetzlich oder verordnungswidrig,
oder
2) der Strafende zu deren Verhängung nicht befugt gewesen ist, oder
3) daß die Bestrafung auf unrichtigen thatsächlichen Voraussetzungen beruht,
so ist von ihnen die Strafe, insofern sie noch nicht vollzogen ist, (jedoch ohne
Verschärfung derselben) abzuändern oder aufzuheben, und die etwaige Ueberschreitung oder
Anmaßung der Disciplinar-Strafgewalt, nach Maaßgabe der Verschuldung, entweder
disciplinarisch zu rügen, oder die gerichtliche Untersuchung und Bestrafung zu
veranlassen.
Achter Abschnitt.
Von der Disciplinar-Strafgewalt in außerordentlichen Fällen.
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§. 38.
Der Oberbefehlshaber des Reichsheeres, sowie jeder Befehlshaber
eines abgesonderten Korps bis zum Befehlshaber einer Brigade abwärts, hat die Befugniß,
bei besonderen die Disciplin gefährdenden Verhältnissen, jedoch nur für die Dauer
derselben, durch Tagesbefehl die nach den §§. 3, 5
zulässigen Disciplinar-Strafen in angemessener Weise zu verschärfen.
Dieselbe Befugniß hat der Befehlshaber der Besatzung einer Festung, eines offenen
Orts oder Bezirks, welche in Belagerungszustand erklärt worden sind.
§. 39.
Die im §. 38 genannten Befehlshaber sind auch
berechtigt, in außerordentlichen Fällen gegen ganze Truppentheile Verweise vor der Front
oder durch Tagesbefehl, Auferlegung besonderer Dienstverrichtungen, Entziehung gewisser
Bequemlichkeiten oder Genüsse, z. B. des Tabakrauchens, des Feuers und Strohes beim
Bivouak, zu verfügen.
§. 40.
In eigentlichen Nothfällen, insbesondere zur Durchsetzung der zur
Beseitigung dringender Gefahr ertheilten Dienstbefehle, sowie bei Meuterei, Aufruhr,
Plünderung und ähnlichen pflichtwidrigen Handlungen, stehen jedem Offizier, unter
strenger Verantwortlichkeit für die ergriffenen Maaßregeln, alle Mittel zu Gebote,
seinen Befehlen den nöthigen Gehorsam zu verschaffen.
Dieselbe Befugniß unter gleicher Verantwortlichkeit hat jeder
Vorgesetzte zum Zweck der Abwehr eines thätlichen Angriffs des Untergebenen im Fall der
äußersten Bedrängniß.
Frankfurt, den 22. April 1849.[1]
Der Reichsverweser
Erzherzog Johann. |
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Der interimistische Reichsminister des Krieges
v. Peucker.
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