Anti-Reaktions-Erlaß des preußischen Kriegsministers von Pfuel.
Vom 23. September 1848.
Infolge meiner Ernennung zum Minister-Präsidenten und
Kriegsminister, beehre ich mich Einem und Generalcommando hierbei das Programm des neuen
Ministeriums ergebenst zu übersenden. Se. Majestät der König haben Sich bereits in dem
Armeebefehl vom 1. Mai d. J. über die Stellung auszusprechen geruht, welche die
Armee bei den veränderten Verhältnissen des Staats einzunehmen habe. Auch hat mein
Amtsvorgänger, der Generallieutenant Freiherr von Schreckenstein, wiederholt und zuletzt
in dem Erlaß vom 13. d. M.[1] erklärt, daß
die Regierung Sr. Majestät reactionaire Tendenzen überall nicht hege und den
eingeschlagenen Weg constitutioneller Entwicklung mit redlichem Willen verfolgen werde.
Zugleich ist dabei auf die Nothwendigkeit von ihm hingewiesen worden, in diesem Sinne
durch alle Instanzen auf die Untergebenen angemessen einzuwirken. Einverstanden mit diesen
Ansichten und entschlossen, reactionaire Tendenzen nicht zu dulden, ersuche
ich Ein und Commando, das gute Einvernehmen zwischen Civil und Militair nach
Kräften zu fördern, und wo sich reactionaire Bestrebungen bei den
Wohldemselben untergebenen Truppen zeigen sollten, denselben entschieden entgegenzutreten.
Ein und Commando wolle zu dem Ende von meinem gegenwärtigen Erlasse die
Wohldemselben untergebenen Offiziere aller Grade zur Nachachtung in Kenntnis setzen.
Dieselben sind zugleich darauf aufmerksam zu machen, daß sie nach dem von Sr. Majestät
der Nationalversammlung vorgelegten Verfassungs-Entwurfe
gleich den Civilbeamten zur Aufrechterhaltung der Verfassung seinerzeit eidlich
werden verpflichtet werden, und daß mit der Uebernahme solcher Verpflichtung alle
anti-constitutionellen Bestrebungen, wie sie überhaupt mit der Stellung einer Offiziers
in der Armee unverträglich sind, im Widerspruch stehen würden. Je schwieriger die
gegenwärtige Lage des Preußischen und des gesammten Deutschen Vaterlandes ist, desto
nothwendiger ist ein vernünftiges Zusammenwirken aller gesetzlichen Gewalten, desto
mehr muß selbst der Schein einer Spaltung vermieden werden, um den Feinden des
Vaterlandes jeden Vorwand, jede Hoffnung zu benehmen, um das gesäte Mißtrauen zu
entfernen und allen Unbefangenen die Ueberzeugung zu gewähren, daß die von unserem
Könige angebahnte freie Entwicklung des constitutionellen Staates von der
vaterländischen Kriegsmacht nicht bedroht, sondern beschützt wird. Ich erkenne
vollständig die Schwierigkeit des Aufgabe, die ich mit dem von Sr. Majestät mir
anvertrauten Amte übernommen habe, ich halte mich aber überzeugt, daß Ein und
Generalcommando sowohl, als die unter Wohldesselben Befehl stehenden Offiziere, bewährt
in Treue und Liebe zu König und Vaterland, mit mir nach demselben Ziele
streben werden.
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