"Antrag Stein"[1]
[Anti-Reaktions-Beschluss der preußischen verfassunggebenden Nationalversammlung]

Vom 9. August 1848.


  Die [verfassunggebende preußische] Versammlung beschließt:

  1. aus ihrer Mitte eine Kommission zu ernennen, welche das Recht hat, eines oder mehrere Mitglieder nach Schweidnitz zu senden, um die Ursache der blutigen Ereignisse zu ermitteln und den Thatbestand aufzunehmen;[2]

  2. das Ministerium aufzufordern, diejenigen Truppentheile, welche bei den Ereignissen kompromittirt sind, zur Vermeidung neuer Kollissionen sofort aus Schweidnitz zu entfernen;[3]

  3. der Herr Kriegsminister möge in einem Erlasse an die Armee sich dahin aussprechen, daß die Offiziere allen reactionairen Bestrebungen fern bleiben, nicht nur Konflikte jeglicher Art mit dem Civil vermeiden, sondern durch Annäherung an die Bürger und Vereinigung mit denselben zeigen, daß sie mit Aufrichtigkeit und Hingebung an der Verwirklichung eines constitutionellen Rechtszustandes mitarbeiten wollen;[4]

  4. und es denjenigen Offizieren, mit deren politischen Ueberzeugungen dies nicht vereinbar ist, zur Ehrenpflicht zu machen, aus der Armee auszutreten.[5]

 

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Anmerkungen:
[1] Der Antrag wurde nach Dr. phil. Stein, einem führenden Abgeordneten der demokratischen Linken in der preußischen verfassunggebenden Nationalversammlung, benannt.
[2] Über die Punkte wurde einzeln abgestimmt: Punkt 1 wurde mit 204 gegen 163 Stimmen angenommen. Obwohl keine gesetzliche Grundlage vorhanden war, nahm die Nationalversammlung das Recht in Anspruch, einen Untersuchungsausschuss einzurichten und diesen mit Untersuchungsaufgaben zu betrauen. Stein betonte jedoch, "daß diese Kommission keine richterliche Gewalt hat." (Ebenda, S. 716)
[3] Punkt 2 wurde "mit bedeutender Majorität angenommen" (Ebenda, S. 717). Obwohl wiederum keine gesetzliche Grundlage vorhanden war, nahm die Nationalversammlung das Recht in Anspruch, in die königliche Kommandogewalt einzugreifen, zu der auch die Befugnis zur Dislozierung von Truppenteilen gehörte.
[4] Punkt 3 wurde mit "mit bedeutender Majorität angenommen" (Ebenda, S. 717). Bezüglich des Erlasses an die Armee vgl. Schreiben des preußischen Staatsministeriums von Auerswald an den Präsidenten der preußischen verfassunggebenden Nationalversammlung Grabow betreffend die Annahme des "Antrags Stein" durch die Nationalversammlung (02.09.1848).
[5] Punkt 4 wurde mit nur 180 gegen 179 Stimmen (!) angenommen. Er geht auf ein "Amendements" (Zusatzantrag) des demokratischen Abg. Schultz aus Wanzleben zurück.


Quelle: Verhandlungen der Versammlung zur Vereinbarung der Preußischen Staatsverfassung. Bd. I (Stenographische Berichte. May-August 1848), o.O. 1848, S. 716-717.


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
"Antrag Stein" [Anti-Reaktions-Beschluss der preußischen verfassunggebenden Nationalversammlung] (09.08.1848), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/nzjh/preussen/1848/antrag-stein.html, Stand: aktuelles Datum.


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Letzte Änderung: 03.01.2004
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