Bescheid Sr. Majestät des Königs von Preußen Friedrich Wilhelm IV. über die Einführung einer konstitutionellen Verfassung.

Vom 22. März 1848.


  Einer Deputation der städtischen Behörden zu Breslau und Liegnitz, welche der König in Berlin empfangen, ertheilte derselbe auf ihre Anträge, als dem Wunsche der überwiegenden Mehrheit der Bewohner jener Städte, nachstehenden Bescheid:

  "Nachdem Ich eine konstitutionelle Verfassung auf den breitesten Grundlagen verheißen habe, ist es Mein Wille, ein volksthümliches Wahlgesetz zu erlassen, welches eine, auf Urwahlen gegründete, alle Interessen des Volkes, ohne Unterschied der religiösen Glaubensbekenntnisse umfassende Vertretung herbeizuführen geeignet ist, und dieses Gesetz vorher dem Vereinigten Landtage zur Begutachtung vorzulegen, dessen schleunige Berufung Ich, nach allen bisher Mir zugegangenen Anträgen, für den allgemeinen Wunsch des Landes halten muß. Diesem bisher kundgegebenen Wunsche des Landes würde Ich entschieden zuwider handeln, wenn Ich nach Ihrem Antrage,[1] das neue Wahlgesetz ohne ständischen Beirath erlassen wollte. Sie werden daher, wie Ich zu Ihrer Loyalität vertraue, sich selbst überzeugen und Ihre Kommittenten davon zu überzeugen wissen, daß Ich auf Ihren gedachten Antrag für jetzt und so lange nicht der allgemeine Wunsch des Landes sich dem Ihrigen anschließt, nicht eingehen kann.

  Der auf diese Weise zu bildenden neuen Vertretung Meines Volkes werden dann auch, Meinen bereits kundgegebenen Entschließungen entsprechend, Vorschläge über folgende Punkte vorgelegt werden:

1) über Sicherheit der persönlichen Freiheit;
2) über freies Vereinigungs- und Versammlungsrecht;
3) über eine allgemeine Bürgerwehr-Verfassung mit freier Wahl der Führer;
4) über Verantwortlichkeit der Minister;
5) über die Einführung von Schwurgerichten bei Strafsachen, namentlich für alle politischen und Preß-Vergehen;
6) über die Unabhängigkeit des Richterstandes;
7) über die Aufhebung des eximirten Gerichtsstandes, der Patrimonial-Gerichtsbarkeit und der Dominial-Polizei-Gewalt.

  Außerdem werde Ich zunächst das stehende Heer auf die Verfassung vereidigen lassen.[2]"

  Berlin, den 22. März 1848.


Friedrich Wilhelm.


Graf Arnim.    v. Rohr.    Graf Schwerin.     Bornemann.    v. Arnim.    L. Kühne.

 

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Anmerkungen:
[1] Gemeint ist der Antrag der beiden Städte, das angesprochene Wahlgesetz ohne die Zustimmung des Vereinigten Landtages zu erlassen.
[2] Der hier versprochene Eid des Heeres auf die preußische Verfassung wurde in der Folge nicht verwirklicht: vgl. dazu Art. 107 der [oktroyierten] Verfassungsurkunde für den preußischen Staat vom 27. Dezember 1848, Art. 108 der [revidierten] Verfassungsurkunde für den preußischen Staat vom 31. Januar 1850.


Quelle: Reden, Proklamationen, Botschaften, Erlasse und Ordres Sr. Majestät des Königs Friedrich Wilhelm IV., 2. Abt., 2. Aufl., Berlin 1855, S. 11-12.


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
Bescheid Sr. Majestät des Königs von Preußen Friedrich Wilhelm IV. über die Einführung einer konstitutionellen Verfassung (22.03.1848), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/nzjh/preussen/1848/friedrich-wilhelmIV-verfassung_prkla.html, Stand: aktuelles Datum.


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Letzte Änderung: 03.01.2004
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