Proklamation Sr. Majestät des Königs von Preußen Friedrich
Wilhelm IV.
"An mein Volk und die deutsche Nation".
Vom 21. März 1848.
An mein Volk und die deutsche Nation.
Mit Vertrauen sprach der König
vor fünfunddreißig Jahren in den Tagen hoher Gefahr zu seinem Volke,[1] und sein Vertrauen ward nicht zu Schanden; der König mit
seinem Volke vereint, rettete Preußen und Deutschland von Schmach und Erniedrigung.
Mit Vertrauen spreche Ich heute, im Augenblicke, wo das Vaterland in
höchster Gefahr schwebt, zu der deutschen Nation, unter dessen edelste Stämme Mein
Volk sich mit Stolz rechnen darf. Deutschland ist von innerer Gährung ergriffen und kann
durch äußere Gefahr von mehr als einer Seite bedroht werden. Rettung
aus dieser doppelten dringenden Gefahr kann nur aus der innigsten Vereinigung der
deutschen Fürsten und Völker unter einer Leitung hervorgehen.
Ich übernehme heute diese Leitung für die Tage der Gefahr. Mein Volk, das
die Gefahr nicht scheut, wird Mich nicht verlassen und Deutschland wird sich Mir mit
Vertrauen anschließen. Ich habe heute die alten deutschen Farben angenommen und Mich
und Mein Volk unter das ehrwürdige Banner des deutschen Reiches gestellt.[2] Preußen geht fortan in Deutschland auf.
Als Mittel und gesetzliches Organ, um im Vereine mit Meinem Volke zur Rettung
und Beruhigung Deutschlands voranzugehen, bietet sich der auf den 2. April [1848]
bereits einberufene Landtag dar. Ich beabsichtige in einer unverzüglich näher zu
erwägenden Form, den Fürsten und Ständen Deutschlands die Gelegenheit zu eröffnen, mit
Organen dieses Landtages zu einer gemeinschaftlichen Versammlung zusammenzutreten.
Die auf diese Weise zeitweilig sich bildende deutsche
Stände-Versammlung wird in gemeinsamer, freier Berathung das Erforderliche in der
gemeinsamen, inneren und äußeren Gefahr ohne Verzug vorkehren.
Was heute vor Allem Noth thut, ist |
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1) Aufstellung eines allgemeinen deutschen, volksthümlichen Landesheeres,
2) bewaffnete Neutralitäts-Erklärung. |
Solche vaterländische Rüstung und Erklärung werden Europa Achtung einflößen
vor der Heiligkeit und Unverletzlichkeit des Gebietes deutscher Zunge und deutschen
Namens. Nur Eintracht und Stärke vermögen heute den Frieden in unserem schönen,
durch Handel und Gewerbe blühenden Gesammt-Vaterlande zu erhalten.
Gleichzeitig mit den Maaßregeln zur Abwendung der augenblicklichen
Gefahr wird die deutsche Stände-Versammlung über die Wiedergeburt und Gründung eines
neuen Deutschlands berathen, eines einigen, nicht einförmigen Deutschlands, einer
Einheit in der Verschiedenheit, einer Einheit mit Freiheit.
Allgemeine Einführung wahrer constitutioneller Verfassungen, mit
Verantwortlichkeit der Minister in allen Einzelstaaten, öffentliche und mündliche
Rechtspflege, in Strafsachen auf Geschworenengerichte gestützt, gleiche politische und
bürgerliche Rechte für alle religiösen Glaubensbekenntnisse und eine wahrhaft
volksthümliche, freisinnige Verwaltung werden allein solche höhere und innere Einheit zu
bewirken und zu befestigen im Stande sein.
Berlin, den 21. März 1848.
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Friedrich Wilhelm.
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Graf Arnim. v. Rohr. Graf Schwerin.
Bornemann. v. Arnim.
Kühne.
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