Patent Sr. Majestät der Königs von Preußen Friedrich Wilhelm IV.,
wegen beschleunigter Einberufung des [preußischen] Vereinigten Landtages.

Vom 18. März 1848.


  Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen etc.

  Als Wir am 14. d. M. Unsere getreuen Stände zum 27. April d. J. beriefen,[1] um vereint mit ihnen diejenigen Maaßregeln zu beschließen, welche die, Unseren deutschen Bundesgenossen vorzuschlagende Regeneration Deutschlands auch für Preußen nothwendig bedingen, konnten Wir nicht ahnen, daß in denselben Stunden große Ereignisse in Wien einerseits die Ausführung Unserer Vorschläge wesentlich erleichtern, andererseits aber auch die Beschleunigung ihrer Ausführung unerläßlich machen würden.

  Jetzt, nach jenem wichtigen Ereigniß finden Wir uns vor Allem bewogen, nicht allein vor Preußens, sondern vor Deutschlands – so es Gottes Wille ist – bald innigst vereintem Volke laut und unumwunden auszusprechen, welche die Vorschläge sind, die Wir Unseren deutschen Bundesgenossen zu machen beschlossen haben.

  Vor Allem verlangen wir, daß Deutschland aus einem Staatenbund in einem Bundesstaat verwandelt werde. Wir erkennen an, daß dies eine Reorganisation der Landes-Verfassung[2] voraussetzt, welche nur im Verein der Fürsten mit dem Volke ausgeführt werden kann, daß demnach eine vorläufige Bundesrepräsentation aus den Ständen aller deutschen Länder gebildet und unverzüglich berufen werden muß.

  Wir erkennen an, daß eine solche Bundesrepräsentation eine konstitutionelle Verfassung aller deutschen Länder nothwendig erheische, damit die Mitglieder jener Repräsentation ebenbürtig neben einander sitzen.

  Wir verlangen eine allgemeine deutsche Wehrverfassung und werden beantragen, solche im Wesentlichen derjenigen nachzubilden, unter welcher Unsere – Preußens Heere – in den Freiheitskriegen unverwelkliche Lorbeern sich errangen. Wir verlangen, daß das deutsche Bundesheer unter einem Bundesbanner vereinigt werde, und hoffen, daß in nicht zu langer Frist eine deutsche Flotte dem deutschen Namen auf nahen und fernen Meeren Achtung verschaffen werde.

  Wir verlangen ein deutsches Bundesgericht zur Schlichtung aller Streitigkeiten staatsrechtlichen Ursprungs zwischen den Fürsten und Ständen, wie auch zwischen den verschiedenen deutschen Regierungen.

  Wir verlangen ein allgemeines deutsches Heimathsrecht und volle Freizügigkeit in dem gesammten deutschen Vaterlande.


  Wir verlangen, daß fortan keine Zollschranke mehr den Verkehr auf deutschem Boden hemme und den Gewerbefleiß seiner Bewohner lähme; Wir verlangen also einen allgemeinen deutschen Zollverein, in welchem gleiches Maaß und Gewicht, gleicher Münzfuß, ein gleiches deutsches Handelsrecht auch das Band materieller Vereinigung bald um so fester schließen möge.

  Wir schlagen vor Preßfreiheit mit gleichen Garantieen gegen den Mißbrauch für das gesammte deutsche Vaterland.

  Das sind Unsere Vorschläge, Unsere Wünsche, deren Verwirklichung Wir mit allen Unseren Kräften zu erstreben suchen werden. Mit stolzem Vertrauen rechnen Wir dabei auf die bereiteste Mitwirkung Unserer deutschen Bundesgenossen und des gesammten deutschen Volkes, welches Wir mit Freuden durch Einverleibung Unserer nicht zum Bunde gehöriger Provinzen in den Bund verstärken werden, wenn, wie Wir voraussetzen, deren berufene Vertreter diesen Wunsch theilen und der Bund sie aufzunehmen bereit ist.

  Wir geben der freudigen Hoffnung Raum, daß die Ausführung Unserer Absichten, ja daß schon deren Anbahnung die Spannung heben wird, die jetzt zu Unserem großen Schmerz das deutsche Vaterland erfüllt, die Verkehr und Gewerbe lähmt, es spaltet, die es zu zerreißen droht, – ja wir hoffen, daß jene Maaßregeln Deutschland in sich stark, nach außen geachtet machen werden, damit in seinen vereinigten Kräften Europa die sicherste Gewähr eines dauernden, gesegneten Friedens finden möge.

  Damit aber die Erfüllung Unserer Absichten am wenigsten in Unseren Staaten Zögerung und Hinderniß finden können, damit Wir desto eher diejenigen Vorschläge zu entwickeln im Stande sind, welche Wir für die Verfassung Unserer Staaten nöthig erachten, haben Wir beschlossen, die Berufung des Vereinigten Landtages zu beschleunigen und beauftragen das Staats-Ministerium, diese Einberufung auf Sonntag den 2. April d. J. zu bewirken.

  Gegeben Berlin, den 18. März 1848.


Friedrich Wilhelm.


[Wilhelm] Prinz von Preußen.
Mühler.    v. Rother.    Eichhorn.    v. Thile.    v. Savigny.    v. Bodelschwing.
Graf zu Stollberg.    Uhden.    Frhr. v. Canitz.     v. Düesberg.   v. Rohr.

 

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Anmerkungen:
[1] Vgl. dazu Patent, wegen Einberufung des [preußischen] Vereinigten Landtages vom 14. März 1848.
[2] Gemeint ist die Verfassung des Deutschen Bundes. Vgl. dazu Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815 und Schlussakte der Wiener Ministerkonferenz vom 15. Mai 1820.


Quelle: Reden, Proklamationen, Botschaften, Erlasse und Ordres Sr. Majestät des Königs Friedrich Wilhelm IV., 2. Abt., 2. Aufl., Berlin 1855, S. 5-7.


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
Patent Sr. Majestät der Königs von Preußen Friedrich Wilhelm IV., wegen beschleunigter Einberufung des preußischen Vereinigten Landtages (18.03.1848), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/nzjh/preussen/1848/vereinigter-landtag-einberuf_patent02.html, Stand: aktuelles Datum.


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Letzte Änderung: 03.01.2004
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