Rede des innenpolitischen Sprechers der CDU/CSU-Fraktion Erwin
Marschewski zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz)
vom 14. Dezember 2001
Vizepräsidentin Petra Bläss: Für die CDU/CSU-Fraktion spricht
jetzt der Kollege Erwin Marschewski.
(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Jetzt hören wir den ganz neuen Erwin!)
Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Es ist mehr als selbstverständlich und auch verpflichtend
für uns, dass die Union im Kampf gegen die terroristische Bedrohung der freien Welt und
unseres Landes Gemeinsamkeit will. Der fundamentalistische, jedes religiöse Bekenntnis
missbrauchende Terrorismus erfordert gemeinsames Handeln aller Demokraten in diesem Hause.
Gestern konnten wir die Bilder von Bin Laden sehen, von den selbstzufriedenen und
selbstgerechten Massenmördern, die sich im Mord sonnten, die lachten und die sich
bewundern ließen. Dies ist erschütternd. Deswegen müssen wir handeln. Herr Bundesinnenminister, wir unterstützen Ihre Vorschläge;
denn sie stärken die Dienste und die Polizei, sie sichern die Freiheit und sie helfen,
die Terroristen zu erkennen und ihrer habhaft zu werden.
Ihre Vorschläge, Herr Bundesinnenminister, geben mehr
Einsatzmöglichkeiten gegen den Terror und sind im Großen und Ganzen akzeptabel. Sie
werden trotz oft anders lautender Presseäußerungen den Rechtsstaat nicht
beeinträchtigen. Dieses Gesetz verrät nicht, wie Irregeleitete schreiben, totalitären
Geist. Ich möchte, dass sich diese Leute einmal das Video von gestern ansehen. Dann
würden sie zum gleichen Ergebnis kommen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Hier will niemand Bürgerrechte einschränken. Unser Staat muss nur das sein, was die
Union stets gefordert hat: wehrhaft, ein wehrhafter Staat, der eines weiß: Wer Freiheit
gegen Sicherheit ausspielt, wird beides verlieren.
Deswegen, Herr Bundesinnenminister, haben wir schon
vor ein paar Monaten gefordert, die Regelanfrage beim Verfassungsschutz bei
Einbürgerungen einzuführen, weil wir in Bayern gesehen haben, dass viele Leute wegen
sicherheitsrelevanter Bedenken die deutsche Staatsbürgerschaft nicht bekommen konnten.
Deswegen haben wir als Union den Fingerabdruck in Ausweis papieren zur
Identitätsermittlung gefordert. Deswegen wollten wir eine Verschärfung der Vorschriften
bei der Geldwäsche und ein Ausländerzentralregistergesetz, das insbesondere hilft, das
Schlepperunwesen zu bekämpfen.
Ich will nicht nachkarten, aber Sie haben dies vor ein paar Wochen nicht akzeptiert und
haben Nein gesagt. Deswegen fordere ich erneut, Herr Bundesinnenminister:
Wir müssen vor allen Dingen die Dienste stärken. Das ist ganz wichtig. Wir brauchen -
das sage ich zum wiederholten Male - eine funktionsfähige strategische Fernmeldekontrolle
und endlich - Frau Kollegin Bonitz setzt sich besonders dafür ein - ein funktionierendes
System Inpolneu. Nur so werden wir in Deutschland mehr Sicherheit gewährleisten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es nützen mehr Gesetze nichts, sagt mein Kollege Max
Stadtler immer, und da hat er völlig Recht, wenn Menschen und Mittel fehlen, Herr Bundesinnenminister. Das weiß niemand besser als ein
Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die gibt es gar nicht mehr, Herr
Marschewski! Parlamentarisches Kontrollgremium!)
- Ich würde mich freuen, Herr Kollege Ströbele, wenn Sie diese Lehre annehmen würden.
Sie müssten das eigentlich wissen. Aber Sie sind auf dem besten Wege, wenn Sie meine Rede
in Ruhe anhören.
Die Lage der Dienste ist nicht gut.
(Ludwig Stiegler [SPD]: Das ist falsch! Wirklich falsch!)
Im Gegenteil: Sie ist miserabel, und das, obwohl im Verfassungsschutzbericht steht, es
gebe in Deutschland 85.000 Links- und Rechtsextremisten, 60.000 Mitglieder in
extremistischen ausländischen Organisationen und 31.000 Mitglieder in islamistischen
Gruppen. Deswegen war der Personalabbau bei den Diensten ein schwerer politischer Fehler.
Wer den Verfassungsschutz schwächt, der verzichtet auf wirksame Mittel im Kampf gegen
Terroristen und Extremisten.
Deswegen halte ich es für gut, dass die Verbotsgründe im Vereinsgesetz erweitert werden.
Extremistische Organisationen, die Spenden für terroristische Aktivitäten sammeln, die
Kämpfer rekrutieren, die Anschläge androhen oder befürworten, müssen verboten werden,
wie im Fall des Kalifatsstaats völlig zu Recht, Herr Bundesinnenminister.
Ich begrüße diese Beschlussfassung in Ihrem Hause und Ihren Einsatz gegen diese
terroristische Gruppe ausdrücklich.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Denn das Handeln dieser Gruppen steht in unauflöslichem Widerspruch zum Prinzip der
Volkssouveränität, zum Gleichheitsgrundsatz, zur freiheitlich-demokratischen
Grundordnung schlechthin.
Es darf für Terroristen keinen Platz in Deutschland geben. Wer sich extremistisch
betätigt, muss ausgewiesen werden. Wer eine Gefahr für die innere Sicherheit in
Deutschland darstellt, wer schwere Straftaten begeht, darf durch das deutsche Asylrecht
nicht geschützt sein.
Dies sage ich in vollem Einklang mit der UN-Resolution 1373 - ich zitiere - :
Demjenigen, der terroristische Handlungen plant, begeht oder unterstützt, muss sicherer
Zufluchtsort verweigert werden.
Dies gilt es umzusetzen, meine Damen und Herren, Herr Bundesinnenminister,
weil wir die freiheitlichste Gesellschaftsordnung, die wir in Deutschland je hatten,
erhalten und stärken wollen.
In diesem Punkt stimme ich interessanterweise mit dem Herrn Bundesaußenminister völlig
überein, zumindest, was seine Worte anbelangt. Ich zitiere die "Rheinische
Post" vom 26. November, die die Worte von Herrn Joseph Fischer aufgreift:
Die Forderungen des Bundesinnenministers - so sagt er - seien maßvoll und zurückhaltend
- gegenüber den UN-Formulierungen. Und doch sei ein beträchtlicher Teil der Koalition
dagegen.
Fischer wird weiter zitiert: Ich hätte größte Lust, die Resolution 1373 hier zur Abstimmung zu
stellen.
Ferner heißt es, eines dürfe es nicht mehr geben: Man dürfe sich nicht mehr
hindurchwurschteln bis zur nächsten gequälten Ausnahmeentscheidung - wie bei Ihren
Koalitionsverhandlungen, so füge ich hinzu. Meine Damen und Herren, tun Sie doch das, was
der Bundesaußenminister hier von Ihnen verlangt! Verhindern Sie insbesondere zunächst
einmal die Einreise von Terroristen!
Was das angeht, bin ich ein bisschen traurig, Herr Bundesinnenminister.
Sie haben ursprünglich den Vorschlag gemacht, die Einreise zu verweigern, wenn
Terrorismusverdacht besteht. Damit hatten Sie völlig Recht; denn die jetzige Regelung ist
zu eng, um uns wirksam gegen die Einreise von Terroristen mittels Visum zu schützen.
Ich frage weiter: Was wird aus der zugesagten Kronzeugenregelung? Was wird daraus, Europol
- denn wir müssen ja gemeinsam handeln - zu einer bundeskriminalamtsähnlichen
Einrichtung zu machen?
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Graffitisprayer nicht vergessen!)
Was die Abschiebung anbelangt: Kein Terrorist wird nach Ihrem Gesetz leichter als bisher
abgeschoben werden können, weil unser Ausländerrecht, weil die Europäische
Menschenrechtskonvention die Abschiebung auch von Terroristen verhindert, wenn ihnen im
Ausland möglicherweise erniedrigende Behandlung droht. So werden die Terroristen nach
Verbüßung der Freiheitsstrafe entweder rund um die Uhr von 25 Polizeibeamten bewacht
werden oder in der Freiheit ihr schändliches Tun fortsetzen können. Dies wird kein
Bürger verstehen. Die Bürger werden sich anderen zuwenden, die einfachere Lösungen
anzubieten haben.
Deswegen meine dringende Empfehlung, Herr Bundesinnenminister
- auch der Kollege Wiefelspütz hat das
angedeutet -: Führen Sie bitte Verhandlungen mit den Innenministern anderer Länder, etwa
mit dem Labour-Innenminister von Großbritannien, Mr. Blunkett, mit dem Ziel, zum Beispiel
im Zusammenhang mit der Schaffung eines internationalen Strafgerichtshofs zu verhindern,
dass diese Menschen weiter Verbrechen begehen. Was in Großbritannien rechtswidrig ist,
kann in Deutschland nicht legal sein. Wir müssen dieses Problem international angehen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Denn - da sind wir sicherlich einer Meinung - wir müssen uns vor Terroristen schützen
können, wenn sie unser Leben, unsere Freiheit bedrohen. Dem Terroristen - so steht es in
der UNO-Resolution - muss
jeglicher Zufluchtsort verweigert werden. Mehr habe ich nicht gefordert.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Bundesregierung hat den Gesetzentwurf am 11. Oktober eingebracht. Am 15. November
haben wir im Innenausschuss die Anhörung beschlossen, am 30. November haben wir sie
durchgeführt. Am 12. Dezember haben wir diesen Gesetzentwurf im Innenausschuss
abschließend in nur einer Sitzung - wenn auch stundenlang - beraten, mit über 20
Änderungsanträgen der Koalition, die uns unmittelbar vor Beginn der Beratung zugegangen
waren.
Dieses Verfahren ist bei aller Eile - man mag manches verstehen - nicht seriös. Die
Beratungszeit für ein Gesetz mit circa 100 Gesetzesänderungen war zu kurz und die
Behandlung von Parlamentariern unzumutbar.
Ich habe mir gestern in Vorbereitung dieser Rede aufgeschrieben, das dürfe sich nicht
mehr wiederholen. Aber heute im Innenausschuss war es das Gleiche: wieder diese Hektik,
wieder diese Eile. Wir haben deshalb den Antrag auf Feststellung der Beschlussfähigkeit
gestellt. Sie waren nicht beschlussfähig. Wir haben diesen Antrag vor zwei Tagen nicht
gestellt, obwohl Sie auch am Mittwochabend nicht beschlussfähig gewesen wären.
(Jörg Tauss [SPD]: Doch!)
Wir haben das deswegen nicht getan und die Beratungen deswegen ernsthaft mit viel
Einsatzbereitschaft, Anstrengung, Disziplin und auch Verantwortungsbereitschaft zu Ende
geführt, weil wir wie der Bundesinnenminister meinen,
dass die jetzige Auseinandersetzung nicht auf Tage oder Wochen angelegt ist; sie wird
vielmehr über eine sehr lange Zeit gehen. Für die Union als Partei der Freiheit, als
Partei der Sicherheit und, Herr Bundesinnenminister, als Partei von "law and
order" ist Verantwortungsbereitschaft selbstverständlich.
(Beifall bei der CDU/CSU - Jörg Tauss [SPD]: Wo ist denn der Herr Pfahls? Ist er immer
noch auf der Flucht?)
- Frau Präsidentin, können Sie diesen Schreihals nicht abstellen? Ansonsten ist er ein
liebenswerter Kollege; aber es ist hier doch ein bisschen laut.
Ich hätte mir gewünscht, die SPD hätte alle Anträge der Union akzeptiert. Aber wir
wissen aus der Erfahrung mit der Ablehnung von Anträgen: Sie werden unsere Anträge
ohnehin ein paar Monate später beschließen. Das haben wir heute mitgemacht. Das kennen
wir. Gerade deswegen sagen wir Ja zu Ihrem Antiterrorgesetzentwurf.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Denn wir müssen der Bedrohung unseres Landes und der freien Welt
gemeinsam widerstehen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vizepräsidentin Petra Bläss: Wann wir den Kollegen Tauss abstellen, bestimme
immer noch ich. Ich habe ihn schon kräftiger gehört. Dies sollte Sie, Herr Tauss, jedoch
nicht zu weiteren Zwischenrufen ermuntern.
(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Der Kollege Tauss schwächelt am Freitag!)
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