Rede des innenpolitischen Sprechers der SPD-Fraktion Dieter Wiefelspütz zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz)

vom 14. Dezember 2001


Dieter Wiefelspütz (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verantwortliche Politik beginnt damit, dass man Wirklichkeit zur Kenntnis nimmt,

(Ludwig Stiegler [SPD]: Da hat er Recht!)

und zwar auch dann, wenn sie tragisch ist, weil es, wie am 11. September, um Mord und Totschlag geht.

Der Bundesregierung und insbesondere dem Bundesinnenminister Otto Schily ist dafür zu danken, dass unverzüglich nach dem 11. September das umfassendste Sicherheitsgesetz angestoßen wurde, das es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland jemals gegeben hat.

(Beifall bei der SPD)

Dies ist Ausdruck einer verantwortungsvollen Politik.

Gleich zu Anfang will ich sagen: Dies ist ein Gesetz, das in jedem Detail uneingeschränkt rechtsstaatlich ist und die Sicherheit in Deutschland in zentralen Bereichen fördert. Deswegen ist es ein Gesetz, das von Kompetenz, Gestaltungskraft und Verantwortung zeugt.

(Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Halleluja!)

Der Bundesinnenminister hat dieses Gesetz angestoßen und die Verhandlungen von den ersten Entwürfen an geführt und begleitet. Wir haben einen außerordentlich intensiven Beratungsprozess hinter uns gebracht, der viele von uns sehr stark belastet hat. Ich will dem Bundesinnenminister, aber auch seinen Mitarbeitern und den Koalitionsabgeordneten von Rot-Grün für diesen intensiven Einsatz danken. Dieses Gesetz kann sich nicht nur sehen lassen, sondern es ist Ausdruck einer außerordentlich beachtlichen Leistung.

Selbstverständlich hat es öffentliche Diskussionen gegeben; das kann auch gar nicht anders sein. Wir haben Wert darauf gelegt, eine große Anhörung durchzuführen; diese war außerordentlich aufschlussreich. Es gab unterschiedliche öffentliche Kritik. Allerdings möchte ich bemerken: Ich würde mir schon wünschen, dass sich manche Kritiker entscheiden. Die einen sagen, dass das alles nichts bringe, und für die anderen geht es um den Ausverkauf von Rechtsstaatlichkeit. Man sollte sich in der Argumentation entscheiden, was wirklich Sache ist.

Herr Kollege Stadler, wer wie die FDP das Verfahren kritisiert, der sollte die Änderungsanträge kennen. Ihr Entschließungsantrag ist - wenn man so will - eigentlich überholt.

(Dr. Max Stadler [FDP]: Der vom Mittwoch ja, wir haben aber einen neuen vorgelegt!)

- Dann haben Sie möglicherweise einen Schnellschuss abgegeben. - Es wird darauf zu achten sein, wie bestimmte Teile der Landesregierungen, in denen auch die FDP vertreten ist, reagieren werden. Ich rechne mit einer breiten Zustimmung für dieses Gesetz im Bundesrat, weil die Bundesländer bereit sind, sich an der Herstellung von Sicherheit zu beteiligen. Es ist nicht allein eine Angelegenheit des Bundes, sondern des Bundes und der Länder gemeinsam.

Es ist auch eine besondere Leistung dieser Bundesregierung, dass in der Innenministerkonferenz eine Art der Zusammenarbeit gefunden wurde, die sicherstellt, dass Bund und Länder gemeinsam in die Lage versetzt werden, Sicherheit zu produzieren. Deswegen haben wir auch die Vorschläge, Hinweise und Forderungen der Länder nicht nur gewürdigt und geprüft, sondern sie in den Fällen, in denen sie berechtigt waren, selbstverständlich auch aufgegriffen.

Wenn beispielsweise - das ist nach dem 11. September notwendig - den Nachrichtendiensten, insbesondere dem Bundesamt für Verfassungsschutz, zusätzliche Befugnisse eingeräumt werden, dann ist es legitim, diese Befugnisse auch den Landesämtern für Verfassungsschutz einzuräumen; denn sonst würde die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern auf diesem Gebiet nicht funktionieren. Deswegen haben wir diese wichtige Forderung gern aufgegriffen; die Länder hatten mit diesem Petitum Recht. Dies verschärft allerdings nichts, sondern ist ein Vorgang, der die Länder in die Lage versetzt, im selben Maße Sicherheit zu produzieren, wie es auch der Bund in Anspruch nimmt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich räume ein, dass man die Schnelligkeit, mit der wir auf Ereignisse reagieren, auch kritisieren kann. Den einen geht manches zu langsam, den anderen manches zu schnell. Ich hätte mir schon gewünscht, dass wir ein wenig mehr Zeit gehabt hätten, damit auch andere Kollegen, die an dem Beratungsprozess nicht so intensiv beteiligt gewesen sind, genauer hätten begreifen können, Herr Marschewski und Herr Stadler, wie gut dieses Gesetz ist, wie gut es auch durch viele zusätzliche Gespräche geworden ist. Natürlich ist ein Referentenentwurf nicht das letzte Wort. Die Anhörung hat viele zusätzliche Anregungen gegeben.

Gerade nach den Debatten im Innenausschuss ist für mich völlig evident, dass es im Hinblick auf Rechtsstaatlichkeit nicht den geringsten durchgreifenden Kritikpunkt gibt. Herr Stadler, alle Argumente, die Sie vorgetragen haben - Sie haben allerdings auch zugehört und sich auf Argumentationen eingelassen -, sind nach meiner festen Überzeugung widerlegt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es gibt nie zu viel Rechtsstaatlichkeit. Aber ich bin schon der Auffassung, dass wir da und dort doppelte und dreifache Sicherungen eingebaut haben, wo eine einfache Sicherung vielleicht ausgereicht hätte. Gleichwohl räume ich ein, dass es gar nicht genug Rechtsstaatlichkeit geben kann, weshalb eine Doppel- und Dreifachsicherung auch gar nicht schlecht ist.

Rechtsstaatlichkeit ist keine Schwäche, sondern eine Stärke.

(Beifall bei der SPD)

Verbrechensbekämpfung kann es nur im und mit dem Rechtsstaat geben. Deswegen war es wichtig, dass wir intensiv darum gerungen haben und aus guten Gesetzen im Laufe der Diskussion noch bessere gemacht haben. Dafür ist ein intensiver Beratungsprozess erforderlich.

Wie wichtig dieser Koalition und dieser Bundesregierung innere Sicherheit ist, meine Damen und Herren, merken Sie an der Entscheidung des Bundesinnenministers in Sachen Kaplan-Verein. Für die SPD-Bundestagsfraktion erkläre ich: Das Verbot war ein notwendiger Schritt, der deutlich macht, dass wir hier nicht nur Gesetze verabschieden, sondern den Gesetzen dann auch Taten folgen lassen.

(Beifall bei der SPD)

Dazu war es eben notwendig, das Vereinsgesetz zu ändern, wenngleich der Anstoß dazu schon weit vor dem 11. September vom Bundesinnenminister gegeben worden ist. Dies trägt jetzt Früchte. Wir alle wissen, dass Repression kein Allheilmittel ist. Aber, meine Damen und Herren, wir müssen darauf achten, dass die Regeln, die wir alle uns in diesem Land geben, eingehalten werden.

(Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Auch im Parlament! Auch hier!)

Wir müssen sie selbst ernst nehmen und müssen auch von anderen einfordern, Herr Zeitlmann, dass die Gesetze eingehalten werden. Gerichte bestraften Herrn Kaplan rechtskräftig, sein Verein aber war weiterhin legal. Das hat jetzt ein Ende. Dies war dringend an der Zeit und ist ein Ausweis von Handlungsstärke dieser Regierung.

Ich habe betont, dass es in Sachen Rechtsstaatlichkeit gegen dieses Gesetz nicht die geringsten Einwände geben kann. Was die Effektivität angeht, will ich sagen, dass dies ein Gesetz ist, das die Sicherheit in unserem Land befördern wird. Ich habe gerade davon gesprochen, dass Sicherheitspolitik damit beginnt, dass man die Wirklichkeit zur Kenntnis nimmt und dann verantwortlich und mit Augenmaß handelt.

Ich erlaube mir an dieser Stelle einen kleinen Hinweis, liebe Kolleginnen und Kollegen, die wir alle mit dieser Materie sehr vertraut sind. Es macht gelegentlich durchaus Sinn, einmal zu schauen, was im Ausland unternommen wird, und zu fragen, welche Diskussionen es gegenwärtig in Großbritannien oder in den Vereinigten Staaten von Amerika gibt.

(Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Ja, das wäre interessant! Aber da schaut ihr ja nicht hin!)

Ich will Ihnen sehr deutlich sagen: Rot-Grün und der Bundesinnenminister Otto Schily sind ein Garant für Rechtsstaatlichkeit und für eine effektive Verbrechensbekämpfung mit Augenmaß.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich denke, dass Sie alle wissen, was ich damit mit Blick auf die - das sage ich ohne jegliche Ironie - geschätzten Bündnispartner Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika meine.

Ich wiederhole es: Eine offene Gesellschaft ist keine schwache Gesellschaft. Rechtsstaatlichkeit ist nicht Schwäche, sondern Stärke. Wenn wir Verbrechensbekämpfung mit Augenmaß durchführen, wenn wir uns dabei unserer eigenen Werte bewusst sind und sie nicht infrage stellen - auch dann, wenn es gegen brutale Verbrecher geht -, dann sind wir stark und nicht schwach.

Ich denke, dieses Gesetz verdient Zustimmung. Ich erkenne an, dass sich die Union trotz aller Probleme mit dem Verfahren und mit der Eile, mit der wir reagiert haben, zum Schluss doch noch dazu durchgerungen hat, diesem Gesetz zuzustimmen. Die FDP wird dies in den Ländern tun, Herr Stadler, hier vielleicht nicht. Dieses Gesetz hat eine breite Zustimmung verdient.

Selbst wenn man sorgfältig und gewissenhaft arbeitet, gibt es allerdings die eine oder andere redaktionelle Verbesserung. Frau Präsidentin, ich will zum Ende meiner Rede kurz zu Protokoll geben, dass Art. 1 Nr. 3 Buchstabe c ganz korrekt heißen muss: "Nach Absatz 3 wird folgender Absatz 4 angefügt." Das ist aber nur eine redaktionelle Sache, die ich hier erwähnen wollte.

Ich bedanke mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, für Ihre Bereitschaft zuzuhören. Dieses Gesetz ist ein wichtiger Beitrag für mehr Sicherheit in Deutschland unter Beachtung der Rechtsstaatlichkeit.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

 

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Quelle: Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode, Stenographischer Bericht der 202. Sitzung vom 14.12.2001 (Plenarprotokoll 14/209).


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
Rede des innenpolitischen Sprechers der SPD-Fraktion Dieter Wiefelspütz zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus [Terrorismusbekämpfungsgesetz] (14.12.2001), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/brd/2001/rede_wiefelspuetz_1214.html, Stand: aktuelles Datum.


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Letzte Änderung: 03.03.2004
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