Rede des Abgeordneten Wolfgang Zeitlmann (CSU) zu dem von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen
Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz)
vom 14. Dezember 2001
Wolfgang Zeitlmann (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Schily, Sie dürfen mich in Zukunft jederzeit Bauchredner
irgendeines CSU-Innenpolitikers nennen.
(Jörg Tauss [SPD]: Stoiber!)
Ich habe damit kein Problem. Das Problem liegt wohl mehr in der Person begründet, von der
er, wie Sie sagten, der Bauchredner sein sollte.
Zur Terrorismusbekämpfung sage ich vorab: Wir hatten seit dem 11. September drei Monate
Zeit gehabt, aber erst am 15. November war die erste Lesung dieses Gesetzes. Das heißt
auf gut Deutsch: Zwei Monate hat die Regierung gebrütet, dann hat sie es hier
eingebracht, den verbliebenen Monat hat die Koalition über den Vorschlag der Exekutive
gebrütet und dann sollte der Innenausschuss das im Grunde innerhalb eines Tages abnicken.
Da hatte Heribert Prantl, wohl das erste Mal, Recht, als er sagte: Der Gesetzgeber
verkommt zum Paketträger. Dieses Vorgehen ist nicht nur zutiefst unparlamentarisch,
sondern ich halte es auch für eine Unverschämtheit und für eine Missachtung der
Parlamentarier, dass man ihnen zumutet, ein wichtiges Gesetz innerhalb nur einer Sitzung
eines Fachausschusses durchzupauken.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, ich will einmal mit dem anfangen, was jeder von Ihnen heute früh
oder heute Nacht wahrscheinlich schon mitbekommen hat, nämlich diesen schrecklichen
Videofilm, in dem sich der Verbrecher Bin Laden damit brüstet, dass er mit einem solchen
"Erfolg" nicht gerechnet hat. Im Zusammenhang mit diesem Video wird berichtet,
dass es Anhaltspunkte gebe, dass wohl mit weiteren Aggressionen gerechnet werden muss. Man
kann eigentlich nur beten, dass uns, der freien und zivilisierten Welt, ein weiterer
Schlag erspart bleibt. Aber ich fürchte, dass die Brutalität dieser Truppe uns hier noch
des Öfteren zusammenführen wird. In diesem Lichte ist zu besorgen, dass manche der
Bedenken, die heute hier anklangen und besagten, dass unser Staat in eine Schieflage
gerate, dass die Organe der Sicherheit zu viele Kompetenzen bekämen und dass die Freiheit
in Gefahr sei, ganz schnell verflogen sein werden. Ich habe manchmal das Gefühl, dass
einige Mitglieder dieses Hauses weit in der Vergangenheit leben. Im Hinblick auf
diejenigen, die noch bis vor zwölf Jahren in einer Diktatur lebten, habe ich
Verständnis. Aber für uns im westlichen Teil unseres Landes ist es kaum vorstellbar,
dass nach 50 Jahren die Bürgerrechte und Freiheitsrechte tangiert sein könnten.
Die Dimension dessen, worum es geht, ist noch nicht von allen verstanden worden. Es geht
um Terrorismusbekämpfung. Herr Minister Schily, Sie
haben sich eben in Ihren Äußerungen selbst einen Bärendienst erwiesen, als Sie
vorgelesen haben, dass die Regeln der Innenminister- und Justizministerkonferenz zur
organisierten Kriminalität beim Terrorismus keine Anwendung fänden. Das muss man sich
einmal auf der Zunge zergehen lassen: Es wird eine Unterscheidung zwischen dem, was wir
gegen organisierte Kriminalität einsetzen -
(Widerspruch von Bundesminister Otto Schily)
- Ich kritisiere das ja nicht; ich gebe nur Denkanstöße. Man darf in der praktischen
Konsequenz nicht zwischen beiden Gefahren unterscheiden.
Meine Damen und Herren, wir müssen einmal mit einer Sprachverwirrung aufräumen, der wir
vielleicht alle ein bisschen unterliegen, der Vorstellung nämlich, Terrorismus sei eine
abgeschwächte Form der Kriminalität. Zu dieser Vorstellung trägt sicherlich bei, dass
weltweit immer wieder zu beobachten ist, dass Terroristen von gestern Staatspräsidenten
von heute werden, und dass es auch schon Terroristen gegeben hat, die den
Friedensnobelpreis bekommen haben; ich deute das nur an, ohne Namen zu nennen. Sie merken,
worauf ich hinaus will: Was ist ein Terrorist? Nach meiner Definition ist ein Terrorist
ein politisch motivierter Verbrecher,
(Erwin Marschewski (Recklinghausen) [CDU/CSU]: Sehr wahr!)
ein Gewalttäter und Krimineller, sonst gar nichts.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dies bedeutet, dass ich unsere Sicherheitsorgane mit allen zur Verfügung stehenden
gesetzlichen Mitteln ausstatten muss, ob das nun das Instrument des Generalverdachtes oder
die Aufnahme des Fingerabdrucks in den Pass ist. Ich kann nicht verstehen, dass sich
manche von solchen Lappalien beschwert fühlen. Sie werden Otto Normalverbraucher nicht
erklären können, dass diese Republik in Gefahr sei, man aber mit solchen Instrumenten
vorsichtig sein müsse. Dem kleinen Mann auf der Straße ist es völlig wurscht, ob in
seinem Pass, in dem ohnehin ein Foto von ihm ist, auch die Abdrücke von zehn Fingern
enthalten sind. Vom elften Finger will ich gar nicht reden.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU - Lachen bei der SPD)
Vizepräsidentin Petra Bläss: Herr Kollege Zeitlmann, bevor Sie zum zwölften
Finger kommen, frage ich Sie, ob Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Otto Schily
zulassen.
Wolfgang Zeitlmann (CDU/CSU): Nein. - Herr Minister Schily,
ich sage Ihnen auch, warum ich die Zwischenfrage nicht zulasse: Wer mir als
Oppositionspolitiker in der Ausschussberatung kaum Raum gibt, kann nicht die Plenardebatte
zum Dialog mit mir nutzen wollen. Machen Sie beim nächsten Mal eine gescheite
Innenausschusssitzung, kommen Sie frühzeitig und kommen Sie auch zur Anhörung, dann
können wir intensiv darüber sprechen.
(Beifall bei der CDU/CSU - Ilse Janz [SPD]: Die Ausschusssitzung ist Angelegenheit des
Parlaments, nicht der Regierung!)
Meine Damen und Herren, Terrorismusbekämpfung darf nicht anders als
Kriminalitätsbekämpfung gesehen werden. Wir müssen unseren Sicherheitsorganen deutlich
machen, dass wir voll hinter ihnen stehen. Es gibt keinen Grund zu Misstrauen, es besteht
nicht die Gefahr, dass unsere Dienste uns in eine undemokratische Ecke manövrierten.
Einen Punkt halte ich für sehr bedenklich: In Ihrem Gesetz können Sie sehr wohl die
biometrischen Merkmale vorschreiben. Nach jetziger Rechtslage planen Sie aber eine
Änderung des Passgesetzes, nach der in die Pässe von Deutschen - das halte ich für
richtig - weitere Merkmale aufgenommen werden sollen, haben aber nichts vorgesehen, um die
7 Millionen Ausländer passrechtlich gleich zu behandeln. Ich warne davor. Sie haben nur
eine Regelung im Ausländerrecht, dass für zukünftige Fälle der Neuerteilung einer
Aufenthaltsgenehmigung solche biometrischen Merkmale erfasst werden können.
Meine Damen und Herren, es fällt mir noch eine Besonderheit auf - da mit komme ich zum
Ende -, nämlich die, dass Sie bei der Einreise den kleinen Visa-Beamten in Kiew, im Jemen
oder wo auch immer auf der Welt mit unserer Rechtsproblematik belasten. Sie sagen nicht
einfach, dass die Einreise nach Deutschland bei dem geringsten Anfangsverdacht verweigert
wird. Bei der Dimension der Gefahr wäre es doch normal, zu sagen, dass uns der kleinste
Anfangsverdacht daran hindert, jemanden, der möglicherweise ein Terrorist ist, ins Land
zu lassen.
(Zuruf des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
- Ich sage ganz deutlich, dass ich die Grenze zu einem Anfangsverdacht verschieben will.
Sie können dem kleinen Beamten nicht zumuten, die feine Unterscheidung zwischen dem
Belegen von Tatsachen und dem Beweisen von Tatsachen zu treffen. Diese saubere
Grenzziehung schafft er nicht. Er muss außerdem mit einem anschließenden Verfahren vor
dem Verwaltungsgericht rechnen. Es ist übrigens eine deutsche Besonderheit, dass man sich
ein Visum erstreiten kann. Ich höre, dass es das in anderen freiheitlichen Ländern kaum
gibt. Angesichts Ihrer Vorstellung, dass es dem kleinen Beamten möglich sein soll, zu
sagen: "Ich sehe zwar den Anfangsverdacht, aber der reicht nicht für das Belegen von
Tatsachen aus und deswegen darf die Person einreisen", wünsche ich Ihnen viel
Vergnügen.
Es wäre auch noch einiges dazu zu sagen, dass Sie, Herr Beck,
den Ländern Auflagen machen wollen, wie sie zu kontrollieren haben. Das ist ein
eigenartiges Demokratieverständnis. Ich möchte Sie einmal hören, wenn uns Europa mit
einem Gesetz vorschreiben würde, wie die Kontrollen zu regeln sind
und wer was anordnen darf. Sie werden doch zu den eigenen Genossen so viel Vertrauen
haben, dass sie es vor Ort regeln können. Ich möchte den Ländern keine Vorschriften
machen.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU - Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer die
Befugnisse hat, hat auch die Verantwortung!)
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