Rede des Bundesinnenministers Otto Schily (SPD) zu dem von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen
Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz)
vom 14. Dezember 2001
Otto Schily, Bundesminister des Innern [SPD]:
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Pau,
an Ihren Ausführungen kann man sehr gut erkennen, was für Sie die eigentliche Gefahr
ist: Für Sie sind offenbar die Sicherheitsinstitutionen des Staates und nicht der
Terrorismus die Gefahr.
(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Genauso ist es! Sehr gut!)
Sie haben hier erklärt, es gehe um die Gefahr durch den Staat. Ich möchte wissen, in
welcher Welt Sie leben. Wahrscheinlich haben Sie noch ein bisschen Erinnerung an die DDR.
Da war es nämlich so, dass man Sorge vor den Gefahren durch den Staat haben musste.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Widerspruch bei der PDS - Roland Claus [PDS]: Das
passt ja nicht zusammen!)
Was Ihre Koalitionsvereinbarung angeht, wünsche ich Ihnen viel Glück. Immerhin wollen
Sie selbst zugestehen - das ist bemerkenswert -, dass bestimmte Gruppierungen Ihrer Partei
weiterhin vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Dazu beglückwünsche ich Sie!
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch bei der
PDS)
Ich bedanke mich bei allen Koalitionsfraktionen, die unser wichtiges Vorhaben
unterstützen. Ich bedanke mich auch bei der CDU/CSU-Fraktion dafür, dass sie ihrer
Verantwortung in dieser Frage gerecht wird. Ich kann verstehen, dass die FDP-Fraktion mit
Blick auf die Kürze des Verfahrens einige Bauchschmerzen hat. Herr Kollege Stadler - ich kenne den sachlichen Ton, den Sie
normalerweise an den Tag legen -,
(Roland Claus [PDS]: Vielleicht sollte man die Manuskripte bei Ihnen, Herr Minister,
einreichen!)
heute sind Sie zum Teil wie der Bauchredner von Herrn Möllemann aufgetreten. Das tut
Ihnen nicht gut, Herr Stadler.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Max Stadler [FDP]: Schwacher
Gag!)
- Herr Stadler, Herr Möllemann möchte eine Art
Basarhandel veranstalten, indem ein Junktim zwischen diesem Gesetz und dem
Zuwanderungsgesetz hergestellt wird. Das ist nicht die richtige Herangehensweise.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben es mit einem Gesetz zu tun, durch das die Konsequenzen aus einem ganz schlimmen
Ereignis und aus einer Bedrohung, die uns wahrlich das Fürchten lehrt, gezogen werden.
(Zuruf von der PDS: Sie lehren uns auch das Fürchten!)
Ich meine die Bedrohung durch den weltweiten islamistischen Terror, die in ihrer
Tiefendimension am 11. September erkennbar geworden ist. Wir brauchen so etwas wie ein
Langzeitgedächtnis. Wir dürfen nicht wieder in den alten Trott zurückfallen, sondern
wir müssen unsere Wachsamkeit aufrechterhalten. Der Kollege Marschewski hat mit Recht darauf hingewiesen, dass
diese Gefahr nicht etwa verschwunden ist, sondern fortbesteht.
Wir haben sie übrigens schon vorher kennen gelernt. Wir haben - jedenfalls was die
politische Diskussion angeht - weder nach den Ereignissen von Daressalam noch nach der
Festnahme von Personen, die im Dezember kurz davor standen, im benachbarten Frankreich
einen Terroranschlag zu begehen, die nötige Aufmerksamkeit an den Tag gelegt. Man muss
aber auch feststellen - das ist der entscheidende Gesichtspunkt -: Wir hatten keine
Kenntnis über die in verschiedenen Ländern getroffenen Vorbereitungen dieser
schrecklichen Terroranschläge in New York und in Washington. Wir müssen uns bewusst
sein, was da angegriffen worden ist: New York ist die internationalste Stadt der Welt.
Dort ist der Sitz der Vereinten Nationen. Unter den Opfern waren Menschen aus mehr als 80
Nationen dieser Welt. New York, ein Symbol für den Freiheitswillen dieser Welt, für die
Demokratie in dieser Welt, war der Zielpunkt. Viele Menschen, die unter der
Terrorherrschaft der Nazis oder unter der Terrorherrschaft anderer totalitärer Systeme
verfolgt waren, haben in New York Zuflucht gesucht. Das ist in das Geschichtsbewusstsein
der Menschheit tief eingegraben. Deshalb hat das auch diese große Bedeutung.
Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Sicherheitsinstitutionen zur Früherkennung solcher
Aktivitäten in der Lage sind. Dazu brauchen sie die Möglichkeit, in Finanztransaktionen
hineinzuschauen, Reisebewegungen und Auffälligkeiten im Verhalten von bestimmten Personen
festzustellen. Wir müssen besser in der Lage sein, Personen zu identifizieren, damit es
nicht gelingen kann, sich mit unterschiedlichen Identitäten zu tarnen. Jemandem, dem der
Aufenthalt in Deutschland untersagt wird, darf es nicht möglich sein, unter einer anderen
Identität wieder in unser Land zurückzukehren. Ich halte das für eine pure
Selbstverständlichkeit.
Frau Pau, Sie haben gemeint, das stehe im Widerspruch zum
Zuwanderungsgesetz. Dazu will ich Ihnen Folgendes sagen: Das Zuwanderungsgesetz soll
Terroristen nicht ermöglichen, in unser Land zu kommen. Es soll nicht dafür sorgen, dass
Terroristen, soweit sie sich schon in unserem Land befinden, in unserem Land bleiben
können.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Erwin Marschewski
[Recklinghausen] [CDU/CSU])
Das sollte unter allen, die sich mit dem Thema beschäftigen, doch eigentlich Konsens
sein.
Nun hat es einen Streit über die Frage gegeben, mit welchem Vokabular wir in dem
Gesetzestext arbeiten. Ich rege an, doch die Unterschiede zur Kenntnis zu nehmen, die es
zwischen der Terminologie im Polizeirecht und derjenigen im Strafverfahren gibt. Im
Strafverfahren kennen wir den Begriff des Verdachts, der eine Abgrenzung etwa in folgenden
Fragen ermöglicht: Unter welchen Voraussetzungen können Ermittlungen eingeleitet werden?
Unter welchen Voraussetzungen kann eine Anklage erhoben werden? Unter welchen
Voraussetzungen kann jemand in Haft genommen werden?
Im Polizeirecht geht es nicht um diesen Begriff. Im Polizeirecht geht es um eine
Gefahrenbeurteilung. Deshalb ist die Wortwahl, die wir jetzt getroffen haben, dem
Polizeirecht entnommen. Es geht um die Beschreibung einer Gefahr. Das steht auch in
Übereinstimmung mit anderen Bestimmungen, übrigens - das sage ich, damit alle das
begreifen - schon im geltenden Recht. Da steht nämlich etwas von einer Gefahr für die
öffentliche Sicherheit geschrieben. Das ist der Kern dieser Bestimmung.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das haben wir bereits begriffen, Herr Bundesinnenminister!)
Im Zusammenwirken aller, die daran beteiligt waren - insbesondere bedanke ich mich beim
Bundesjustizministerium - haben wir, wie ich finde, eine gute Formel gefunden.
Ich möchte noch etwas zur Frage der Zuständigkeiten des Bundeskriminalamts sagen, weil
auch das heute von Ferne her kritisiert worden ist. Herr Kollege Marschewski, Sie haben behauptet, ich hätte mich in
wichtigen Punkten nicht durchgesetzt, das Bundeskriminalamt bleibe wegen der Grünen
"ein zahnloser Tiger". Ich werde in Wiesbaden ausrichten, was Sie gesagt haben.
Wenn das zutrifft, dann müsste das Bundeskriminalamt bisher ein zahnloser Tiger gewesen
sein. Diese Einschätzung kann ich mir nach der erfolgreichen Arbeit des
Bundeskriminalamts in den zurückliegenden Jahren, gerade auch in jüngster Zeit, nun
wahrlich nicht zu Eigen machen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dieter Wiefelspütz [SPD]: Kein
Verhältnis zur Sicherheit, Herr Marschewski!)
Nun zu der Frage: Wie beurteilen wir diese Befugnisse? Wir haben nichts anderes gemacht,
als die Befugnisse, die das Bundeskriminalamt nach seinem Zuständigkeitskatalog in § 2
des Bundeskriminalamtgesetzes bereits hat,
(Dieter Wiefelspütz [SPD]: So ist es!)
so zu gestalten, dass es die Möglichkeit hat, Daten unmittelbar zu erheben, und nicht den
Umweg über die Länder gehen muss.
Insofern kann ich auch überhaupt nicht verstehen, was der Richterbund - da muss ich
einmal auf die Anhörung zurückkommen - an der Stelle auszu setzen hat.
(Dieter Wiefelspütz [SPD]: Ich auch nicht!)
Der Richterbund fragt, wieso das BKA sozusagen unkontrolliert auf Länderdaten zugreifen
dürfe. Das darf es heute schon; es geht nur darum, dass es im Rahmen seiner
Zentralstellenfunktion unmittelbar Daten erheben kann.
Nun muss ich Ihnen noch etwas sagen, weil einige das Wort
"Initiativermittlungen" als Schreckensbild vor sich hergetragen haben. Es
scheint mir so zu sein, dass einige die geltende Rechtslage nicht kennen. Vielleicht wird
nicht so oft in den Richtlinien für das Strafverfahren gelesen. Tun Sie das einmal.
Nehmen Sie sich einen Kommentar zur Hand. Darin finden Sie die gemeinsamen Richtlinien der
Justizminister und -senatoren sowie der Innenminister und -senatoren der Länder über die
Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaften und Polizei bei der Verfolgung der organisierten
Kriminalität. Dies sind allerdings Richtlinien, die für den Terrorismus nicht gelten,
die aber auf der Basis des geltenden materiellen Strafrechts und Strafverfahrensrechts
erarbeitet worden sind.
Unter Ziffer 6 unter der Überschrift "Initiativermittlungen" finden Sie
folgende Definition:
Die Aufklärung und wirksame Verfolgung der organisierten Kriminalität setzt daher
voraus, dass Staatsanwaltschaft und Polizei von sich aus im Rahmen ihrer gesetzlichen
Befugnisse Informationen gewinnen oder bereits erhobene Informationen zusammenführen, um
Ansätze zu weiteren Ermittlungen zu erhalten: Initiativermittlungen.
Liegt ein Sachverhalt vor, bei dem nach kriminalistischer Erfahrung die - wenn auch
geringe - Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine verfolgbare Straftat begangen worden ist,
besteht ein Anfangsverdacht. Dieser löst die Strafverfolgungspflicht aus. Es ist nicht
notwendig, dass sich der Verdacht gegen eine bestimmte Person richtet.
Weiter heißt es:
Bleibt nach Prüfung der vorliegenden Anhaltspunkte unklar, ob ein Anfangsverdacht
besteht, und sind Ansätze für weitere Nachforschungen vorhanden, so können die
Strafverfolgungsbehörden diesen nachgehen. In solchen Fällen besteht allerdings keine
gesetzliche Verfolgungspflicht.
Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt steht unter Ziffer 6.4:
Bei Initiativermittlungen - ein Wort also, das völlig gängig ist, hier aber in der
öffentlichen Diskussion zu einem großen Tohuwabohu geführt hat - liegen häufig die
Elemente der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr in Gemengelage vor und gehen im
Verlauf eines Verdichtungs- und Erkenntnisprozesses ineinander über.
Wie wahr!
Ich will Sie nur darauf hinweisen, damit Sie bemerken, dass manche Vorbehalte, die selbst
in richterlichen Kreisen geäußert werden, ohne Grundlage sind.
Ich will einen weiteren Punkt ansprechen, den auch der Kollege Beck, für dessen sachliche Rede ich ihm meine
ausdrückliche Anerkennung aussprechen möchte, erwähnt hat.
(Zurufe von der CDU/CSU)
- Das sage ich doch ganz offen. Dass wir mitunter eine Kontroverse haben, ist doch in
Ordnung oder was haben Sie daran auszusetzen?
(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Weil ich die Rede nicht
so sachlich finde!)
Warum soll denn nicht auch einmal in einer Koalition über eine Sachfrage geredet werden?
Dazu möchte ich einmal den Streit zwischen Ihnen und der FDP in Erinnerung rufen.
Darüber gibt es viel zu berichten.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Ich
sage gleich etwas dazu!)
Jetzt loben Sie Ihre Gesetzgebungsarbeit aus vergangenen Jahren, die Sie ohne die
SPD-Fraktion gar nicht zustande gebracht hätten. Also seien Sie in diesen Fragen einmal
ganz ruhig.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Aber die Rede von Beck
war Quatsch!)
Ich möchte etwas zu den biometrischen Merkmalen sagen. Ich glaube, wir waren gut beraten,
dies erst einmal nur in dem Bereich einzuführen, in dem es wirklich dringlich ist,
nämlich bei der Visaerteilung, vor allem im Zusammenhang mit Problemstaaten, damit wir
hier bessere Möglichkeiten haben, und uns in anderen Fragen ein bisschen mehr Zeit zu
gönnen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Dies passt ja eigentlich zu dem, was auch Sie immer sagen: Sie wollen mehr Zeit. Selbst
die CDU/CSU hat heftig geklatscht, als Herr Stadler
vorgetragen hat, es habe zeitliche Probleme gegeben.
Ich möchte Sie nur auf Folgendes hinweisen, damit Sie den Erkenntnisprozess mit uns
zusammen weiter nachvollziehen können: Heute werden schon in vielen Ländern biometrische
Merkmale angewendet. In Frankreich - ich habe das auch erst neulich erfahren, vielleicht
haben das andere schon früher gewusst; Herr Marschewski
hat das selbstverständlich alles schon gewusst;
(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Nein nicht alles!)
- aber fast alles - werden bei der Beantragung eines Personalausweises Fingerabdrücke
genommen. Niemand hat gehört, dass dort die Menschenrechtsvereine und ähnliche
aufgetreten sind und dies als Verletzung der Menschenwürde angesehen haben. In den USA -
das habe ich Ihnen schon bei früherer Gelegenheit mitgeteilt - gibt es Fingerabdrücke
auf der "resident alien card". In Spanien werden diese bei den Antragstellungen
für längerfristige Aufenthalte genommen.
(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: USA?)
- In Spanien. In den USA gibt es die "resident alien card". Das ist ein Ausweis
für diejenigen, die in den USA eine Arbeit aufnehmen wollen, lieber Herr Marschewski.
Aber wir werden uns mit diesen Fragen umfassend zu beschäftigen haben, auch mit dem
Hinweis, dass isolierte Regelungen relativ wenig bringen. Da hat Herr Beck vollkommen Recht. Deshalb bemühen wir uns ja, auch
auf der europäischen und internationalen Ebene diese Dinge so zu gestalten, dass ein
vernünftiges Konzept daraus wird.
Wir werden uns damit beschäftigen müssen - und das werden wir tun -, wie die modernen
Techniken aussehen, die ja nicht mehr mit Tusche arbeiten. Heute geht es um Scannen oder
Digitalisieren. Die Kosten sind übrigens gar nicht so hoch, Herr Beck. Sie sollten mit den übertriebenen Volumina, die Sie
hier vorgetragen haben, vorsichtig sein.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie jetzt Sonderangebote in petto? -
Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das musste einmal kritisiert werden! Das ist äußerst
unseriös!
Seien Sie mal ganz zurückhaltend bei diesen Fragen.
Man muss Fragen nach der technischen Gewinnung, der Übermittlung und der Speicherung der
Fingerabdrücke stellen. Alles das macht natürlich nur Sinn, wenn Sie auch einen
Abgleichungsmodus finden, der die optimale Nutzung solcher Techniken ermöglicht.
Jedenfalls müssen wir nicht nur erreichen, dass Fälschungen erkennbar sind, sondern wir
müssen auch verhindern, dass echte Dokumente zur Tarnung benutzt werden, um mit ihnen
schlimmen Dingen nachzugehen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Meine Damen und Herren, ich glaube, dass wir auch im internationalen Rahmen mit unseren
Maßnahmen sehr gut aufgestellt sind. Heute war der Attorney General John Ashcroft bei mir
zu Gast. Ich glaube, dass wir gerade im Blick auf die UNO-Sicherheitsresolution damit
zufrieden sein können, wie weit wir bei unseren Maßnahmen gekommen sind, übrigens nicht
nur bei gesetzlichen Maßnahmen, sondern auch bei der Ausstattung unserer
Sicherheitsbehörden mit Personal- und Sachmitteln. Herr Marschewski, Sie haben gesagt, wir hätten Personal
zurückgeführt. Das ist falsch. Wir haben, obwohl wir von Ihnen eine gewaltige
Schuldenlast geerbt haben, die Ausgaben im Sicherheitsbereich kontinuierlich erhöht und
sie jetzt noch einmal mit 500 Millionen besonders aufgestockt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das haben Sie in Ihrer ganzen Regierungszeit nicht geschafft.
(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ CSU]: Nein, nein! Da muss ich leider
widersprechen!)
Wir werden der Überprüfung, die der Ausschuss der UNO vornehmen wird, also in Ruhe
entgegensehen können.
Lassen Sie mich ein letztes Wort sagen: Wir sollten bei Gegensatzbildungen mit
befreundeten Staaten vorsichtig sein. Mein Freund, der britische Innenminister David
Blankett, ist ein Mann des Rechtsstaates
(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Völlig richtig!)
und niemand sollte auf den Gedanken kommen, ihn in irgendeinen Verdacht zu bringen, das
sei anders.
(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ CSU]: Das sehe ich auch so! Ich war vor einer
Woche da!)
Ich glaube, die Frage, die Herr Marschewski
aufgeworfen hat, ist der Prüfung wert.
(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ CSU]: Ich mache auch einen Strich!)
- Wenn Sie das wollen, müssen Sie einen Antrag vorlegen, dass Sie sich von der
Menschenrechtskonvention verabschieden und sie in den Papierkorb werfen wollen.
(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Nein, nein!)
Ich bin gespannt, welche Anträge Sie vorlegen werden.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das wollen wir ja nicht!)
Ich stehe zur Europäischen Menschenrechtskonvention,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
aber wir werden uns mit der Frage beschäftigen müssen, was mit Personen geschieht, die
unter Terrorismusverdacht stehen, die bei uns leben, nicht der hiesigen Gerichtsbarkeit
unterliegen und international zur Fahndung ausgeschrieben sind. Wie ist es in solchen
Fällen mit den entsprechenden Auslieferungsbestimmungen? Wo können diese Personen vor
Gericht gestellt werden? Die beste Lösung in solchen Fällen ist in der Tat ein
internationaler Strafgerichtshof.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber auch dann werden wir der Frage nicht ausweichen können: Wo werden sie vorläufig
untergebracht und wo werden sie nach einer Verurteilung endgültig untergebracht?
(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ CSU]: Die Frage bleibt! Völlig richtig!)
Der Frage können wir gerechterweise und ehrlicherweise nicht ausweichen. Ich denke,
darüber werden wir noch zu diskutieren haben.
Ich möchte meinen Dank wiederholen. Der Dank gilt auch denen, die heute nicht zustimmen,
weil ich weiß - ich bin ja selber ein engagierter Parlamentarier -, wie schwer es ist,
innerhalb kurzer Fristen solche Gesetzestexte angemessen zu prüfen. Ich bedanke mich bei
allen, die das auf sich genommen haben. Ich hoffe, dass wir auch in der kommenden Woche
mit einem epochalen Gesetzeswerk - wie Sie es gesagt haben - zu einem guten Ende kommen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Petra Bläss: Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen
Jürgen Koppelin das Wort.
Jürgen Koppelin (FDP): Herr Bundesinnenminister, Sie haben in Ihrer Rede
Äußerungen zu meinem Kollegen Max Stadler getan,
die ich so nicht stehen lassen möchte. Ich denke, Sie sollten sie zurücknehmen. Sie
haben den Kollegen Max Stadler als Bauchredner - ich
wiederhole das, was Sie gesagt haben - des stellvertretenden FDP-Bundesvorsitzenden
Jürgen Möllemann bezeichnet.
Herr Bundesinnenminister, nehmen Sie einfach zur Kenntnis: Die FDP-Bundestagsfraktion hat
bei ihrer Sitzung am Dienstag auch diese Sitzung heute vorbereitet. Wir haben eine
intensive Diskussion geführt, allerdings nicht im Beisein von Herrn Möllemann, wenn
Ihnen das etwas hilft. Der Kollege Stadler hat sich
an unserer Diskussion federführend beteiligt. Auch Sie kennen sicherlich die sehr
sachbezogene Art des Kollegen Stadler. Sie haben es
ja auch an gedeutet. Ich denke, Sie sollten solche Herabsetzungen nicht vornehmen.
Wenn es Sie stört, dass der Kollege Möllemann, der Kollege Stadler und die FDP-Bundestagsfraktion in dieser Sache
einer Meinung sind - das mag Sie ja stören -, dann tut es uns Leid. Wir sind aber in
diesem Punkt nun einmal einer Meinung. Der Kollege Stadler
- ich will das noch einmal ausführlich sagen - hat das vorgetragen, was wir in der
FDP-Bundestagsfraktion beraten und entschieden haben. Sie sollten diese Herabsetzung
lassen. Ich vermute, dass Sie es nicht so gemeint haben. So kennen wir Sie ja auch.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Roland Claus [PDS] - Zurufe von der SPD: Oh!)
Vizepräsidentin Petra Bläss: Zur Erwiderung Herr Bundesminister Schily.
Otto Schily, Bundesminister des Innern: Lieber Kollege Koppelin, ich kenne Herrn Stadler als einen wirklich vorzüglichen und sachlichen
Kollegen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Es war nun wirklich nicht als Herabsetzung gemeint, es war der Versuch eines Scherzes. Er
scheint bei Ihnen nicht als Scherz angekommen zu sein. Belassen wir es
also bei dem Scherz. Wenn Sie es als Herabsetzung empfunden haben, nehme ich das gerne
zurück. Sie wissen, dass ich Herrn Stadler besonders
schätze; das gilt auch über alle politischen Gegensätze hinweg.
Der Scherz wird also zurückgenommen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
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