Erklärung des Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) zur
Bereitstellung militärischer Kräfte für den Kampf gegen den internationalen Terrorismus
vom 6. November 2001
Meine Damen und Herren, Sie wissen, der Sicherheitsrat der Vereinten
Nationen hat am 12. September die Resolution 1368 beschlossen und damit
festgestellt: "Die terroristischen Angriffe auf New York und Washington sind eine
Bedrohung des internationalen Friedens und der Sicherheit der Staaten." Er hat weiter
festgestellt, dass diese terroristischen Angriffe das Selbstverteidigungsrecht der
Vereinigten Staaten von Amerika gemäß des Artikels 51 der UN-Charta
auslösen. Die NATO hat wegen dieser Angriffe am 2. Oktober diesen Jahres den Bündnisfall
nach Artikel 5 des NATO-Vertrages erklärt. Der Bundestag hat in einer interfraktionellen
Entschließung vom 19. September die NATO-Entscheidung akzeptiert und die Bereitschaft der
Bundesregierung unterstützt, den Bekundungen der uneingeschränkten Solidarität mit den
USA konkrete Beistandsmaßnahmen folgen zu lassen. In der Erklärung steht ausdrücklich
dieser Begriff.
Die USA haben jetzt fünf Anforderungen an Deutschland gerichtet, und zwar:
Erstens. ABC-Abwehrkräfte, also jenen berühmten Spürpanzer "Fuchs". - Sein
Einsatz würde bedeuten, dass bis zu 800 Soldaten eingesetzt würden.
Zweitens. Eine Einheit zur Evakuierung von Verwundeten und Verletzten in einer
Größenordnung von etwa 250 Soldaten.
Drittens. Spezialkräfte der Bundeswehr in einer Größenordnung von etwa 100 Mann.
Viertens. Lufttransportkräfte zum Transport von Personal und Material in einer
Größenordnung von bis zu 500 Soldaten.
Fünftens. Seestreitkräfte, z. B. zur Kontrolle des Freien Schiffsverkehrs und zum Schutz
von Schiffen mit gefährlicher Ladung. - Denken Sie etwa an Öl- oder Chemietanker. Die
Größenordnung beträgt - grob geschätzt - etwa 1.800 Mann.
Alles in allem einschließlich der Unterstützungsfunktion sind es maximal 3.900 Mann.
Allerdings ist davon auszugehen, dass naturgemäß nicht alle zur gleichen Zeit zum
Einsatz kommen.
Mir ist wichtig - ich unterstreiche das -: Nicht gefordert worden ist die Beteiligung an
Luftangriffen oder auch die Bereitstellung von Bodentruppen in Afghanistan.
Ich habe immer wieder betont, dass die Solidarität Deutschlands auch uns objektiv
mögliche militärische Unterstützung einschließen werde. Deshalb hat die
Bundesregierung die Absicht, den Bitten der Vereinigten Staaten von Amerika zu
entsprechen. Es geht - das ist zu betonen - zunächst um Bereitstellung der zitierten
Kräfte. Für den jeweiligen konkreten Einsatz behalten wir die nationale letzte
Entscheidung.
Ich habe soeben die Partei- und Fraktionsvorsitzenden unterrichtet. Dem Bundeskabinett
werde ich in seiner Sitzung morgen die entsprechenden Vorschläge unterbreiten. Ich gehe
davon aus, dass das Bundeskabinett ebenso wie der Bundessicherheitsrat entsprechend
entscheiden wird.
Danach wird es eine Befassung des Deutschen Bundestages geben. Ich habe angekündigt, am
Donnerstag Morgen eine Regierungserklärung zu
diesen Fragen abzugeben. Wenn sich das Parlament entsprechend bereit erklärt, kann die
erste Lesung stattfinden. Die weitere Zeitabfolge ist allein Sache des Parlamentes. Wir
sind, was diese Frage angeht, daran interessiert, eine zügige Entscheidung zu bekommen,
werden aber natürlich die Vorkehrungen respektieren, die das Parlament in eigener
Verantwortung trifft, auch die zeitlichen. Ich habe mitgeteilt, dass wir dem Parlament
selbstverständlich die notwendigen Diskussionsmöglichkeiten belassen werden.
Die Bundesregierung ist davon überzeugt, dass wir mit diesem Paket den Kampf gegen den
internationalen Terror wirksam unterstützen und unseren Bündnispflichten dabei in vollem
Umfang nachkommen.
Mir liegt daran, meine Damen und Herren, dass nicht vergessen wird, dass die
militärischen Maßnahmen nur ein Teil der Auseinandersetzung mit dem internationalen
Terrorismus sind. Ebenso wichtig ist es darauf hinzuweisen, dass die
politisch-diplomatischen Anstrengungen, nicht zuletzt die Anstrengungen zum Zusammenhalt
der internationalen Anti-Terror-Koalition, weitergehen und dass die entsprechenden
Rahmenbedingungen, damit das erfolgreich weitergehen kann, geschafft werden.
Zweitens. Ebenso klar muss es um humanitäre Anstrengungen gehen, die zu verstärken sind
- dies naturgemäß unter dem Dach der Vereinten Nationen. Aber Deutschland hat in diesem
Bereich traditionell eine wichtige, auch materiell eine wichtige Rolle gespielt und wird
das auch weiterhin tun.
Drittens. Es muss mit den wirtschaftlichen Maßnahmen weitergehen, hier insbesondere mit
der Austrocknung der Finanzspielräume des internationalen Terrorismus.
Viertens. Die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste ist eine Selbstverständlichkeit, die
gut funktioniert und die weitergehen muss.
Dann muss es natürlich fünftens eine geistig politische Auseinandersetzung mit dem
Terrorismus geben.
Ich bin zuversichtlich, meine Damen und Herren, dass der Deutsche Bundestag die von der
Regierung vorgeschlagenen Maßnahmen breit unterstützen wird und dass
damit ein wesentlicher Beitrag Deutschlands zu seinen Bündnispflichten, aber auch zum
Kampf gegen den internationalen Terrorismus geleistet werden kann.
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