Rede des stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion
Wolfgang Bosbach zum Thema "Sicherheit 21 - Was zur Bekämpfung des internationalen
Terrorismus jetzt zu tun ist"
Vom 18. Oktober 2001
Wolfgang Bosbach (CDU/CSU) (von Abgeordneten der CDU/CSU mit
Beifall begrüßt):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Antrag
"Sicherheit 21 - Was zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus jetzt zu tun
ist" legen CDU und CSU als erste Fraktion des Deutschen Bundestages ein umfassendes
Konzept zur dringend notwendigen Stärkung der äußeren und inneren Sicherheit vor.
Der international operierende religiös oder politisch motivierte Terrorismus,
insbesondere jener, der von Staaten unterstützt und gedeckt wird, ist für die freie
zivilisierte Welt eine existenzielle Bedrohung, auch für unser Land.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Das haben wir schon vor Jahren festgestellt, ohne dass bis heute daraus die notwendigen
Konsequenzen gezogen worden sind.
(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)
Ich zitiere aus dem Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses "Plutonium":
Möglicherweise wächst eine neue Form der Bedrohung heran, sollte es sektiererischen
Organisationen, die mit genügend Finanzmitteln, geeigneter Infrastruktur, technologischem
Wissen und der nötigen Entschlossenheit ausgestattet sind, nur noch um Vernichtung von
Mensch und Material ohne rational erfassbare Zielsetzungen gehen.
Es muss doch allen in diesem Hause zu denken geben, dass die meisten Spuren der
fürchterlichen Anschläge vom 11. September außerhalb der USA ausgerechnet in
Deutschland zu finden sind.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wer trotz dieser Lage immer noch nicht begreift oder nicht begreifen will, dass wir
verpflichtet sind, wirklich alles Notwendige zu tun, um unser Land vor dem Terrorismus und
anderen Formen der Kriminalität wirksamer zu schützen, ist verantwortungslos.
Wir sind nun schon seit Wochen Zeugen der koalitionsinternen Auseinandersetzungen über
die notwendigen und teilweise schon seit Jahren überfälligen Maßnahmen für mehr
Sicherheit. Die innere Unsicherheit der Koalition über das, was jetzt zu tun ist, darf
nicht die Sicherheit des Landes gefährden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Entscheidend sind nicht die starken Worte des Innenministers, sondern starke Taten. Auch
hierbei gilt das, was im Leben immer gilt: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.
Bei der Sicherheit darf es keine Kompromisse geben. Wenn eine Maßnahme notwendig ist,
dann muss sie umgesetzt werden, und zwar sofort. Es darf nicht sein, dass notwendige
Entscheidungen nur deshalb nicht getroffen werden, weil die Grünen Vorstellungen haben,
die - zumindest teilweise - schlicht abwegig sind. Der freiheitliche Rechtsstaat wird
nicht von denen gefährdet, die für mehr Sicherheit plädieren, sondern von denen, die
uns glauben machen wollen, dass Freiheit und Sicherheit Gegensätze seien.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir müssen immer die Balance zwischen möglichst viel Freiheit auf der einen und einem
hohen Maß an Sicherheit auf der anderen Seite halten; aber Freiheit und Sicherheit sind
keine Gegensätze. Wer glaubt, dass weniger Sicherheit mehr Freiheit bedeutet, bringt - ob
bewusst oder unbewusst - Frieden und Freiheit in Gefahr.
Beim Kampf gegen den Terror gibt es kein Patentrezept.
Aber vor allem muss sich endlich auch einmal außerhalb der Unionsfraktion die Erkenntnis
durchsetzen, dass wir in allen Fragen der Sicherheit eine andere Haltung einnehmen
müssen. Wir müssen unsere Bundeswehr wieder bündnisfähig machen. Bündnisfähigkeit
beweist man nicht durch die Zustimmung zu Auslandseinsätzen, sondern nur dadurch, indem
man die Bundeswehr endlich personell und technisch so ausstattet, dass sie die ihr
übertragenen Aufgaben wahrnehmen kann. Das ist nicht der Fall und muss geändert werden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Die Soldaten der Bundeswehr leisten für unser Land und das Bündnis einen unverzichtbaren
Dienst. Schon heute befinden sie sich zur Erhaltung des Friedens auf dem Balkan in
schwierigen Einsätzen. Sie haben dort mitgeholfen, dem Morden Einhalt zu gebieten.
Terroristen sind Mörder, Soldaten sind es nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Dass man das Gegenteil dennoch in Deutschland straffrei sagen kann, ist und bleibt für
CDU und CSU unerträglich.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir wollen, dass unsere Soldaten endlich den Ehrenschutz erhalten, der ihnen gebührt. Die
Bundesregierung hat in der letzten Zeit mehrfach betont, nach dem 11. September sei nichts
mehr so wie zuvor. Wir nehmen die Regierung beim Wort und erwarten, dass sie jetzt endlich
den Widerstand gegen einen besseren Ehrenschutz für unsere Soldaten aufgibt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir wollen die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Bundeswehr in
besonderen Gefährdungslagen ihre ganz spezifischen Fähigkeiten zur Abwehr von Gefahren
auch im Inland einsetzen kann. Das ist zurzeit nur sehr bedingt möglich. Der in diesem
Zusammenhang erhobene Vorwurf der Militarisierung der inneren Sicherheit ist und bleibt
grober Unfug. Die Bundeswehr soll die Polizei nicht ersetzen, sondern unterstützen. Wir
müssen uns entscheiden, ob es dabei bleiben soll, dass wir trotz besonderer, völlig
neuer Bedrohungen für unsere Sicherheit die besonderen Fähigkeiten der Bundeswehr
weiterhin auch dann nicht nutzen wollen, wenn wir sie im Inland dringend brauchen. Wer
dies kategorisch ablehnt, handelt unverantwortlich.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die vor wenigen Tagen erhobene Forderung der Vorsitzenden der Bündnisgrünen nach einem
Ende der Bombenangriffe der USA steht nicht nur im Gegensatz zu der uneingeschränkten
Solidarität, die wir zugesichert haben und auf die Amerika einen Anspruch hat, sondern
ist auch schon von der Wortwahl her verräterisch. Es handelt sich nämlich nicht um eine
Aggression, sondern um Prävention. Amerika greift nicht an, Amerika ist angegriffen
worden. Es ist das gute Recht der Vereinigten Staaten, sich zu verteidigen, und zwar auch
mit militärischen Mitteln. Selbstverständlich können wir auf die Angriffe und die
Herausforderungen des Terrorismus nicht nur militärisch reagieren, wir brauchen auch
politische Maßnahmen und humanitäre Hilfe. Wer aber in dieser Situation die Solidarität
mit Amerika infrage stellt oder gar aufkündigt, schadet unserem Verhältnis zu den USA,
dem Bündnis und damit Deutschland.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Max Stadler [FDP])
Unser Dank gebührt allen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten des Bundes und der Länder,
die nun schon seit vielen Wochen ganz außergewöhnlichen Belastungen ausgesetzt sind und
weit mehr als nur ihre Pflicht tun. Auch des wegen müssen wir so genannte
Trittbrettfahrer überführen und mit der ganzen Härte des Gesetzes bestrafen.
(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)
Wer in dieser Lage Straftaten androht oder vortäuscht, die Menschen in Angst und
Schrecken versetzen, Polizeikräfte bindet und sie damit von ihren eigentlichen Aufgaben
abhält, begeht kein Kavaliersdelikt, sondern entfaltet eine kriminelle Energie, die hart
bestraft werden muss.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Das von der Bundesregierung vorgelegte Maßnahmenpaket für mehr Sicherheit ist jedenfalls
in der vorliegenden Form nicht ausreichend. Insbesondere fehlen konkrete Maßnahmen für
eine erleichterte Ausweisung straffälliger, extremistischer Ausländer. Wir können es
nicht länger zulassen, dass unter dem Deckmantel der Humanität oder der
Religionsfreiheit Extremisten oder Terroristen ihr Unwesen in Deutschland treiben oder gar
Straftaten verüben. Es genügt doch nicht, über 32000 bekannte extremistische Islamisten
nur zu beobachten. Vielmehr müssen wir aus deren Taten Konsequenzen ziehen, das heißt
konkret, deren Aufenthalt in Deutschland ein Ende machen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir müssen das Ausländerrecht deswegen so ändern, dass extremistische und straffällige
Ausländer leichter ausgewiesen werden können, als dies derzeit möglich ist.
Wir sind ein weltoffenes, liberales und tolerantes Land. Das wollen
wir auch bleiben. Wenn wir das aber bleiben wollen, dann darf es niemals Toleranz für
Intoleranz geben.
Danke, dass Sie mir zugehört haben.
(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU - Beifall des Abg. Walter Hirche [FDP])
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