Rede der Vorsitzenden des Innenausschusses Ute Vogt (SPD) zum Thema "Sicherheit 21 - Was zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus jetzt zu tun ist"

Vom 18. Oktober 2001


Ute Vogt (Pforzheim) (SPD):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bosbach, wir sind uns in einem Punkt sicherlich einig: dass es die Aufgabe des Staates sei, die Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten, damit sie in Frieden und Freiheit leben können. Dieser Satz kann in dieser Form sicherlich vom gesamten Haus unterstützt werden. Gegenstand der Diskussion, die vor uns liegt, ist deshalb weniger die Frage nach dem Ziel; es muss vielmehr um die Auseinandersetzung mit den Details gehen, also zum Beispiel darum, wie wir es schaffen werden, den Frieden und die Sicherheit zu gewährleisten - den äußeren Frieden ebenso wie den sozialen Frieden, aber auch die innere Sicherheit, die heute Gegenstand der Diskussion ist.

In der Bevölkerung sind Ängste vorhanden. Dies sind zum einen Ängste vor Angriffen und vor Bedrohungen, zum anderen aber auch Ängste vor Einschränkungen von Freiheiten. Ich sehe uns im Parlament in der Verantwortung, diese Ängste ernst zu nehmen, dass wir aber keinesfalls dazu beizutragen, weitere solcher Ängste zu schüren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb ist es ganz maßgeblich, wie wir in diesem Parlament mit dem Thema weiterhin umgehen; denn der Stil der Auseinandersetzung wird in erster Linie von der Politik geprägt und erst in zweiter Linie von den Medien, weil diese nur das aufgreifen können, wozu wir ihnen die Stichworte liefern.

(Bernd Reuter [SPD]: Genau!)

Es liegen derzeit viele Vorschläge vor. Sie von der CDU/CSU haben in Ihrem Antrag eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht, die zum Teil den Eindruck erwecken, als wenn man alles zusammengetragen hätte, was einem zu diesem Themenbereich einfallen kann, um etwas zu verändern.

(Ludwig Stiegler [SPD]: Kraut und Rüben!)

Es gibt aber schon deutlich konkreter gefasste Vorschläge vonseiten der Bundesregierung, die sich derzeit in der Diskussion befinden.

Entscheidend für mich ist, dass wir überprüfen, welche Maßnahmen tatsächlich wirksam sind.

(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Das wird aber Zeit! Sie müssen ein Gesetz machen!)

Darüber hinaus müssen wir jede von Ihnen vorgeschlagene Maßnahme dahin gehend prüfen, in welchem Verhältnis der Aufwand, den sie schafft, und der Eingriff, den sie darstellt, zu dem Nutzen und zu der Wirksamkeit, die sie entfaltet, stehen. Bei den Daten müssen wir darauf aufpassen, dass wir nicht zu viele Daten erfassen, sodass wir sie zum Schluss nicht mehr auswerten, also verwerten können. Es ist also eine intensive Prüfung notwendig. Man darf nicht alles sammeln, was man nur sammeln könnte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Volker Kauder [CDU/CSU]: Handeln Sie doch mal!)

Wir müssen eine Sachprüfung vornehmen und müssen uns auf eine Gewichtung einigen.

Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, bei diesem schwierigen Thema den Versuch zu unternehmen, die politische Diskussion für die Bürgerinnen und Bürger in einer anderen Weise nachvollziehbar zu machen, als sie es sonst gewohnt sind.

(Erich G. Fritz [CDU/CSU]: Dazu ist das jetzt aber kein Beitrag!)

Wenn wir in der Bevölkerung Akzeptanz erreichen wollen, müssen wir die Gründe für unsere Entscheidungen und deren Auswirkungen deutlich machen.

Insoweit wird es dem Thema nicht gerecht, Kollege Bosbach, wenn Sie es auf die Benennung von Koalitionsstreitigkeiten reduzieren oder wenn man es gar auf Auseinandersetzungen zwischen Personen reduzierte. Mich hat dieser Tage eine Mitarbeiterin des Hessischen Rundfunks angerufen,

(Lachen bei der CDU/CSU - Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Ist wahr? - Gegenruf des Abg. Bernd Reuter [SPD]: Neidhammel!)

die in dieser Angelegenheit ein Interview mit mir machen wollte, um vornehmlich die Bevölkerung zu informieren. Eine Bedingung für das Interview war allerdings, dass ich auch Aussagen machen müsste, die sich gegen den Innenminister richten.

(Hartmut Büttner [Schönebeck] [CDU/CSU]: Das fällt Ihnen doch nicht schwer! - Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Dafür habt ihr doch den ganzen Innenausschuss!)

- Herr Marschewski, in diesem Fall ist es in unser aller Interesse - hier betrifft es die eine Partei, in anderen Fällen betrifft es andere Parteien -, dass wir das Niveau solcher Diskussionen nicht auf diese Weise reduzieren lassen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich sehe unsere Aufgabe jetzt darin, zügig zu entscheiden, trotzdem aber gewissenhaft zu beraten. Mir liegt daran, dabei auch die Rolle des Parlaments zum Tragen zu kommen zu lassen. Das bedeutet, dass wir Entscheidungen, die wir als Gesetzgeber treffen müssen, nicht an Ministerien delegieren dürfen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das bedeutet wiederum, dass wichtige Dinge, die die Bürgerinnen und Bürger unmittelbar betreffen, nicht auf dem Wege von Verordnungen erlassen werden dürfen. Nicht nur die Regierungsmitglieder, sondern auch wir stehen vor Ort für die politischen Entscheidungen ein und wir haben die Entscheidungen des Parlaments zu vertreten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Des Weiteren müssen wir als Parlamentarier bei den Dingen, bei denen eine Erweiterung von Kompetenzen notwendig sein wird - ich denke hier etwa an die Dienste -, unsere Kontrollaufgaben so ausweiten, dass wir sie weiter wie bisher wahrnehmen können.


Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Frau Kollegin Vogt, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen von Klaeden?

Ute Vogt (Pforzheim) (SPD): Ja, gerne.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr von Klaeden.


Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Frau Kollegin Vogt, können wir im Rahmen Ihrer Rede noch damit rechnen, dass Sie wenigstens zu einem unserer Vorschläge konkret Stellung nehmen?

(Beifall bei der CDU/CSU)


Ute Vogt (Pforzheim) (SPD): Sehr geehrter Herr von Klaeden, nachdem Herr Kollege Bosbach hier keinen dieser Vorschläge im Detail begründet hat,

(Widerspruch bei der CDU/CSU - Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Sagen Sie einfach Nein!)

sondern es nur eine umfangreiche Auflistung gibt, sehe ich mich jetzt nicht in der Lage, dieses Sammelsurium im Einzelnen zu bewerten. Dies muss der Ausschussberatung vorbehalten bleiben.

(Beifall bei der SPD - Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Da ist ja selbst der Stiegler besser!)

Ich wünsche mir, dass Sie das Angebot, das ich auch an Ihre Adresse richte, annehmen und sich auf eine Diskussion einlassen, die sich ein bisschen von den gewohnten Ritualen löst - auch wenn es manchem sichtbar schwer fällt, wie ich sehe - und verbinde dies mit einer Bemerkung zu einem weiteren Kernbereich, der für mich untrennbar mit der inneren Sicherheit verbunden ist. Derzeit führen wir eine Debatte über die Regelung und Steuerung der Zuwanderung. Weil auch dieses Thema zum einen die Sicherheit und zum anderen den sozialen Frieden betrifft, appelliere ich an Sie: Wenn wir uns beim Thema innere Sicherheit gemeinsam auf die notwendigen Maßnahmen verständigen können, dann sollten wir auch im Hinblick auf den sozialen Frieden einig sein. Daher sollten wir nicht nur gesetzliche Regelungen treffen, die sich unmittelbar auf die innere Sicherheit beziehen, sondern auch solche, die das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft in Deutschland so verbessern, dass gegenseitiges Verständnis gefördert wird. Dazu brauchen wir aber nicht nur Ihren Antrag zur inneren Sicherheit, sondern auch Ihre konstruktive Mitwirkung bei der Regelung und Steuerung der Zuwanderung

(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Legen Sie mal ein Konzept vor, dann machen wir das! - Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das haben wir schon dreimal gehört!)

und gleichzeitig bei Maßnahmen, die zur Integration notwendig sind.

In diesem Sinne hoffe ich, dass Sie es schaffen, in einer solchen Situation nicht die üblichen Rituale zu praktizieren, sondern sich tatsächlich auf die Erwartung der Bürge rinnen und Bürger zu konzentrieren: Wir sollten hierüber zwar kontrovers diskutieren. Aber zum Schluss muss etwas Konstruktives herauskommen und eine breite Mehrheit in diesem Hause gefunden werden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

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Quelle: Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode, Stenographischer Bericht der 195. Sitzung vom 18. Oktober 2001 (Plenarprotokoll 14/195).


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
Rede der Vorsitzenden des Innenausschusses Ute Vogt (SPD) zum Thema "Sicherheit 21 - Was zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus jetzt zu tun ist" (18.10.2001), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/brd/2001/rede_vogt_1018.html, Stand: aktuelles Datum.


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Letzte Änderung: 03.03.2004
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