Rede der Abgeordneten Ursula Mogg (SPD) zum Thema "Sicherheit 21 - Was zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus jetzt zu tun ist"

Vom 18. Oktober 2001


Ursula Mogg (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir, die wir in diesen Tagen nach dem 11. September 2001 besondere Verantwortung zu tragen haben, sind in dem Glauben aufgewachsen, die Welt sei deshalb gefährlich, weil sich zwei mächtige Militärblöcke gegenüberständen. Abstrakt war uns klar, dass die Gefahren nach dem Ende des Kalten Krieges nicht geringer, sondern eher größer geworden waren.

Organisierte Kriminalität, Menschen-, Waffen- und Rauschgifthandel, Angriffe auf unsere natürlichen Lebensgrundlagen, ethnisch und religiös motivierte Konflikte, Menschenrechtsverletzungen, Armut und Unterdrückung waren in Krisenszenarien bedacht. Konkret fehlte uns jedoch die Fantasie, uns eine solche Art des Angriffs auf die innere und äußere Sicherheit vorzustellen, wie es die Angriffe auf Ziele in New York und Washington darstellen. Diese Fantasie ist jetzt unendlich und macht den Menschen Angst.

Diese Situation erfordert Antworten. Bundesregierung und Parlament stehen in der Verantwortung, sich der Herausforderung zu stellen, das Leben der Bürgerinnen und Bürger zu schützen und die staatliche Ordnung zu gewährleisten. Für meine Fraktion darf ich feststellen, dass die Bundesregierung dieser Aufgabe bisher in vorbildlicher Weise nachgekommen ist. Sie hat dies im Sinne eines umfassenden und integrierten Sicherheitsgedankens getan. Der Bundeskanzler hat dies mit klaren und unmissverständlichen Worten unterstrichen. Dafür ein Kompliment von unserer Seite.

Ohne Zweifel: Zum Schutz der Bevölkerung - nicht nur in Europa und in den USA - müssen alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden. Ich bin der festen Überzeugung: Eine aktionistische Politik, die jedes Brainstorming gleich zum Masterplan erklärt, trägt mehr zur Verunsicherung als zur Lösung der Probleme bei.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Was wir jetzt nicht brauchen, ist eine Hysterie, die glauben macht, wir hätten keine Zeit, über lebenswichtige Entscheidungen nachzudenken. Wir müssen ein solches Nachdenken in allen Politikbereichen leisten. Die Leitidee des vorliegenden Antrages ist daher nicht strittig, auch wenn man sich nicht des Eindrucks erwehren kann, es seien alte Papiere mit alten Forderungen zusammengeschrieben worden. Daraus allein jedoch wird noch kein Antiterrorprogramm.

Deutlich wird dies unter anderem bei den Fragen der militärischen Sicherheit. Die Verdoppelung der Antiterroreinsatzkräfte oder die Erhöhung des beschlossenen Personalumfangs der Bundeswehr sind Forderungen, die mir aus den Reihen der Union seltsam vertraut sind. Solche Forderungen klingen, als stammten sie aus der bekannten Debatte um die Bundeswehrreform.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, die Neuausrichtung der Bundeswehr ist nur eine Antwort auf die neuen Herausforderungen. Es handelt sich um ein Reformwerk, das lange auf sich hat warten lassen und erst von dieser Regierung in Angriff genommen wurde. Bundeswehr im Umbau und im Einsatz ist einmal mehr die zutreffende Beschreibung der besonderen Situation. Die mit Tatkraft angepackte Reform wird in der Umsetzung durch die aktuellen Ereignisse zusätzlich an Geschwindigkeit gewinnen. Die notwendigen finanziellen Mittel werden nach unserer festen Überzeugung zur Verfügung stehen, und zwar nicht nur im Haushalt 2002. In Ihrem Antrag ist unzutreffenderweise festgehalten, für die Folgejahre werde keine Vorsorge getroffen. Das ist eindeutig falsch. Schließlich ist auch nicht beabsichtigt, die Finanzierungsgrundlagen für das Antiterrorpaket kurzfristig wieder zurückzunehmen.

Falsch ist allerdings auch, jetzt zu glauben, wir bräuchten von allem einfach nur mehr. Notwendig ist es, unter Berücksichtigung eines sinnvollen Einsatzes der finanziellen Mittel, ein mittel- und langfristiges Konzept zu entwerfen. Das werden wir leisten. Qualifiziertes und motiviertes Personal sowie modernes Gerät bei der Bundeswehr sind nur ein, wenn auch notwendiger, Teilaspekt, den wir bei der Bekämpfung des Terrorismus bedenken müssen.

Erlauben Sie mir an dieser Stelle den Hinweis: Die fortgesetzten Spekulationen über das Wie und Wann eines möglichen Beitrages der Bundeswehr im Kontext des Bündnisses helfen nicht weiter. Deutschland ist willens und in der Lage, auch einen militärischen Beitrag zu leisten. Alles Weitere sollten wir ernsthaft diskutieren, sobald die Rahmenbedingungen bekannt sind. Diese Diskussion erweckt unzutreffenderweise den Eindruck, Deutschland setze allein auf militärische Mittel.

Umfassende Sicherheit braucht - wie wir wissen - mehr. Sie wissen, dass dieses Parlament - vor allem die Mehrheit in diesem Hause - in anderen Zusammenhängen immer wieder nachdrücklich auf eine Stärkung der Rolle der UN gedrängt hat. Internationale Politik muss der Herrschaft des Rechts folgen und nicht nur der Macht. Die Regierungskoalition ist sehr stolz darauf, dass es ihrem Einfluss zu verdanken ist, dass das aktuelle Mandant für den Einsatz der Bundeswehr durch einen Beschluss des Sicherheitsrates abgesichert wird.

Die besondere Rolle, die der UN bei den Bemühungen der Antiterrorkoalition zukommt, kann gar nicht überschätzt werden. Wir wünschen der UN und ihrem Generalsekretär - verbunden mit einem herzlichen Glückwunsch zur Verleihung des Friedensnobelpreises - viel Erfolg.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Die Staaten Europas - einschließlich Russlands - haben offensichtlich nach dem 11. September ein eigenes Gewicht in die Debatte eingebracht. Bundeskanzler Schröder hat heute Morgen auf die eindeutig europäischen Akzente des wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und ökologischen Ausgleichs hingewiesen und die Entschlossenheit unterstrichen, im Kampf gegen den Terrorismus die Werte von Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit um keinen Millimeter preiszugeben. Dem ist nichts hinzuzufügen.


Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Frau Kollegin, ich darf Sie auf die angemeldete Redezeit hinweisen.


Ursula Mogg (SPD): Wir stellen zurzeit in vielen Gesprächen fest, dass hohe Erwartungen an die Politik formuliert werden, entsprechend den Bedenken vieler Menschen in diesem Land. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, diesen Erwartungen gerecht zu werden. Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit sind auch Teil des Antiterrorpaketes.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

 

Dieses Dokument ist Bestandteil von
Zur documentArchiv.de-Hauptseite

Weitere Dokumente finden Sie in den Rubriken


19. Jahrhundert

Deutsches Kaiserreich

Weimarer Republik

Nationalsozialismus

Bundesrepublik Deutschland

Deutsche Demokratische Republik

International

 

Quelle: Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode, Stenographischer Bericht der 195. Sitzung vom 18. Oktober 2001 (Plenarprotokoll 14/195).


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
Rede der Abgeordneten Ursula Mogg (SPD) zum Thema "Sicherheit 21 - Was zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus jetzt zu tun ist" (18.10.2001), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/brd/2001/rede_mogg_1018.html, Stand: aktuelles Datum.


Diese Dokumente könnten Sie auch interessieren:
Regierungserklärung des Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) zum Informellen Treffen des Europäischen Rates in Gent am 19. Oktober 2001 und zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (18.10.2001)
Reden zur Europadebatte im Deutschen Bundestag vom 18.10.2001: Friedrich Merz (CDU), Günter Gloser (SPD), Dr. Helmut Haussmann (FDP), Joschka Fischer [Bundesaußenminister] (Bündnis 90/Die Grünen), Roland Claus (PDS), Michael Roth (SPD), Peter Hintze (CDU), Christian Sterzig (Bündnis 90/Die Grünen), Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), Uwe Hiksch (PDS), Dr. Jürgen Meyer (SPD) und Christian Schmidt (CSU)
Reden zum Thema "Sicherheit 21 - Was zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus jetzt zu tun ist" vom 18.10.2001: Wolfgang Bosbach (CDU), Ute Vogt (SPD), Dr. Max Stadler (FDP), Wolfgang Wieland [Justizsenator von Berlin] (Bündnis 90/Die Grünen), Petra Pau (PDS), Jörg Schönbohm [Innenminister von Brandenburg] (CDU), Dr. Ludger Volmer [Staatsminister im Auswärtigen Amt], Otto Schily [Bundesinnenminister] (SPD), Dr. Günther Beckstein [Staatsminister des Innern von Bayern] (CSU) und Hermann Bachmaier (SPD)
Erklärung des Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) zur Bereitstellung militärischer Kräfte für den Kampf gegen den internationalen Terrorismus (06.11.2001)
Antrag der Bundesregierung auf Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA (07.11.2001)
Regierungserklärung des Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) zur Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Bekämpfung des internationalen Terrorismus (08.11.2001)
Reden zur Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Bekämpfung des internationalen Terrorismus vom 08.11.2001: Friedrich Merz (CDU), Gernot Erler (SPD), Dr. Guido Westerwelle (FDP), Joschka Fischer [Bundesaußenminister] (Bündnis 90/Die Grünen), Roland Claus (PDS), Rudolf Scharping [Bundesverteidigungsminister] (SPD) und Michael Glos (CSU)


Dieses Dokument drucken!
Dieses Dokument weiterempfehlen!
Zur Übersicht »Bundesrepublik Deutschland (BRD)« zurück!
Die Navigationsleiste von documentArchiv.de laden!


Letzte Änderung: 03.03.2004
Copyright © 2001-2004 documentArchiv.de