Rede des Innenministers des Landes Brandenburg Jörg Schönbohm
(CDU) zum Thema "Sicherheit 21 - Was zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus
jetzt zu tun ist"
Vom 18. Oktober 2001
Jörg Schönbohm, Minister [des Innern] [CDU] (Brandenburg) (von
Abgeordneten der CDU/CSU mit Beifall begrüßt):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die schrecklichen Ereignisse des
11. September haben uns wach gerüttelt. Deshalb diskutieren wir heute über die
Konsequenzen und unsere gemeinsame Verantwortung. Wenn nicht alles täuscht, stehen wir am
Anfang einer langen Wegstrecke der Auseinandersetzung mit einem nicht klar fassbaren und
definierbaren Gegner. Diese Auseinandersetzung ist durch das Hinter fragen vieler Dinge
gekennzeichnet, die uns bisher sicher zu sein schienen. Bisherige Positionen müssen
überprüft und weiterentwickelt werden. Mit ihrem heute eingebrachten Antrag hat die
CDU/CSU-Fraktion ein umfassendes Konzept dazu vorgelegt. Dies ist angesichts der neuen
Realität keine Hysterie, wie eben gesagt worden ist, sondern Augenmaß.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir bekennen uns zu Freiheit und Sicherheit durch den aktiven Staat. Gehen Sie bitte offen
und ohne Scheuklappen an unsere Vorschläge heran. Es geht doch um die Sicherheit und das
Vertrauen unserer Bürger in den Rechtsstaat. Dafür sollte man einstehen und nicht für
Ideologien.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Bitte, offen zu sein, richte ich in besonderem Maße an diejenigen, die bisher
politischen Schimären nachgejagt sind. Wir erinnern uns noch daran, dass in der
Vergangenheit gesagt worden ist, innere Sicherheit sei ein reaktionärer Reflex des
Obrigkeitsstaates. Es hieß, die Bundeswehr sei überflüssig oder müsse drastisch
reduziert werden, oder auch, die Nachrichtendienste suchten sich nach dem Ende des Kalten
Krieges mit der Bekämpfung des Terrorismus nur ein neues Betätigungsfeld. An dies alles
erinnere ich mich. Sie haben sich geirrt. Nehmen Sie bitte Abschied von Ihren alten
Positionen. Dann haben wir eine neue Basis, auf der wir diskutieren können.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Die Grünen könnten von Otto Schily lernen, was aus einem wandlungsfähigen Grünen alles
werden kann.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Das Glück der Einheit und die Freude, nur von Freunden umgeben zu sein, haben die
Hoffnung genährt, auf dem Wege in eine friedliche, bedrohungsfreie Zukunft zu sein. Diese
Hoffnung ist brutal zerschlagen worden. Die gescholtenen Warner haben leider Recht
behalten. Wir müssen die neuen Herausforderungen annehmen, frei von Ideologie, an der
Realität orientiert und auf der Grundlage unserer Verfassung.
Dort, wo die Verfassung nicht mehr der
Realität entspricht, muss man prüfen, ob man die Verfassung
weiterentwickeln muss. Das gilt auch für die Frage, ob die Bundeswehr im Innern
eingesetzt werden soll. Herr Wieland, Sie haben
gesagt, wir holten beim Thema "Bundeswehr" wieder alte Klamotten hervor und
freuten uns noch darüber. Ich sage Ihnen: Die Innenminister haben große Sorgen, ob sie
über die notwendigen Kräfte verfügen, den Objektschutz sicherzustellen. Das ist die
Frage, um die es geht. Es geht nicht um die Frage, ob wir uns darüber freuen können. Mit
den Sorgen der Innenminister müssen wir uns befassen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Entscheidung, die wir treffen müssen, lautet: Sollen wir etwas schützen oder nicht?
Wenn wir ein Objekt nicht schützen und es passiert etwas, wird uns die Bevölkerung
fragen: Warum habt ihr uns nicht geschützt? Dann müssen wir antworten: Weil wir uns
geweigert haben, die Diskussion über die innere Sicherheit zu führen. Deshalb machen wir
einen Fehler, wenn wir diese Diskussion nicht führen. Wenn wir neue Regelungen im Bereich
der inneren Sicherheit beschließen, dann müssen wir darauf achten, dass es keinen
Missbrauch gibt, dass das Trennungsgebot und die Verantwortung der Länder für die
Polizeien erhalten bleiben, dass es aber möglich ist, die Bundeswehr im Innern
einzusetzen, wenn es eine besondere Situation erfordert. Das ist die Aufgabe, vor der wir
stehen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir unterstützen das, was der Herr Bundesinnenminister vorgelegt hat. Wir wollen nicht
das tadeln, was unseren Vorstellungen entspricht. Ich kann mich noch an die höhnischen
Zwischenrufe und die höhnischen Gesichter erinnern, als wir im Juli hier unsere
Vorstellungen dargestellt haben. Damals hieß es immer: Alte Mottenkiste! - Wenn Sie das
Rad vollkommen neu erfinden und neue Erfahrungen einbringen wollen, dann tun Sie das.
Unsere Vorschläge entsprechen jedenfalls dem, was nach allen Erkenntnissen die beste
Möglichkeit ist, mit den Erfahrungen umzugehen. Sie scheuen sich, unsere Vorschläge zu
übernehmen, weil Sie dann zugeben müssten, dass Sie sich geirrt haben. Geben Sie Ihren
Irrtum zu und fangen Sie neu an!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die CDU und die CSU waren und sind - ich weiß, dass Sie das nicht gerne hören - die
Parteien der inneren Sicherheit; denn innere Sicherheit lebt von Konsequenz und
Kontinuität und nicht von kurzfristig eingebrachten Vorschlägen. Das wird auch jetzt
wieder deutlich.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir können jetzt gemeinsam Fehlentwicklungen korrigieren; denn die neuen
Herausforderungen richten sich nicht an einzelne Parteien, sondern sie richten sich an die
Bundesrepublik Deutschland insgesamt. Wir in Deutschland müssen die Herausforderungen
annehmen. Die PDS ist dazu nicht fähig - Frau Pau hat es
ausgeführt -,
(Rolf Kutzmutz [PDS]: Aber Sie auch nicht!)
die Grünen schwanken zwischen Machterhalt und ihren Grundsätzen und die SPD steht
zwischen Otto Schily und Hermann Scheer. Wir stehen geschlossen zu diesen Aufgaben der
inneren Sicherheit und darum haben wir den Antrag mit diesem Paket vorgelegt.
Mein Appell ist auch deswegen so eindringlich, weil die Ersten das Boot der Solidarität,
die unter dem Eindruck der Anschläge in den USA entstanden ist, schon wieder verlassen.
Kaum sind die Bilder von den Schutthaufen und dem Schrecken der Menschen in New York
verblasst, wird der Finger in den Wind gestreckt und wieder die ewiggestrige Stimmung der
grünen Basis aufgenommen. Aber wir sind keine Stimmungsdemokratie. Darum hat der
Bundeskanzler zur Disziplinierung der Koalition auf die Richtlinienkompetenz verweisen
müssen. So weit sind wir. Um diese Fragen geht es.
Meine Damen und Herren, bekennen Sie sich in der Diskussion um die Fragen der inneren
Sicherheit doch endlich dazu, dass wir eine starke und wehrhafte Demokratie sind, diese
auch wollen, dass wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Polizei, bei den
Nachrichtendiensten und in der Justiz vertrauen und nicht vor ihrer Arbeit Angst haben und
dass wir ihnen Dank schulden! Das ist, meine ich, die Aufgabe, um die es geht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wir haben Sorgen, dass diese Mitarbeiter nicht in die Lage versetzt wer den, die neuen
Aufgaben zu erfüllen, und darum geht es doch. Gesetze müssen geändert werden. Die
personelle und individuelle Ausstattung muss an die neuen Aufgaben angepasst werden. Die
Länder erwarten, dass die Bundesregierung nach den bisherigen öffentlichen Diskussionen
nunmehr zur Tat schreitet. Die Länder werden im Rahmen ihrer Zuständigkeiten ohne
Steuermehreinnahmen neue Prioritäten für die innere Sicherheit setzen müssen. Durch
Prioritätensetzung werden wir alles uns Mögliche tun, was auch unserer Verantwortung
entspricht.
(Zuruf von der SPD)
- Wenn es Sie interessiert: Wir können die Hundesteuer erhöhen. Das betrifft die
Kommunen.
(Zuruf von der SPD: Gilt das auch für Kampfhunde?)
Der Bund muss jetzt durch Prioritätensetzung den Haushalt so zu schneiden, dass sich die
neue Gewichtung zugunsten der inneren Sicherheit auch darin widerspiegelt. Den an
Entschlossenheit kaum zu überbietenden Ankündigungen zu den Maßnahmepaketen zur inneren
Sicherheit müssen nun auch die Mittel folgen. Kollege Bosbach
hat dazu Ausführungen gemacht. Auch Kollege Beckstein
wird dazu etwas sagen. Ich unterstütze beides; ich muss mich kurz fassen.
Es gibt viele Bereiche, in denen der Bund die Länder unterstützen muss - das ist
unzweideutig -: Zivilverteidigung, Katastrophenschutz, Bereitschaftspolizei, Schutz vor
biologischen oder chemischen Angriffen. Innenminister Schily übergibt heute je sechs
Spürfahrzeuge an die Länder Berlin und Brandenburg. Ich hoffe, dass diese Übergabe
nicht mit dem Termin des 21. Oktober zusammenhängt
(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Völlig ausgeschlossen!)
und dass alle anderen Länder die Spürfahrzeuge auch erhalten; denn Bedrohung richtet
sich nicht nach Wahlkampfterminen, sondern Bedrohung richtet sich nach anderen
Gesichtspunkten.
(Beifall bei der CDU/CSU - Zurufe von der SPD)
- Damit das klar ist: Wir freuen uns darüber, dass wir sie bekommen.
(Zuruf von der SPD: Aha!)
- Natürlich! Das sage ich doch. Es geht nur um den Übergabetermin; Sie sind doch auch
von dieser Welt.
(Zuruf von der SPD: Quatsch!)
- Nicht Quatsch; Freude.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Geschenke kann man auch ablehnen!)
Wir müssen den Aufbau des digitalen Funknetzes vorziehen. Ich denke, dass der Bund beim
Aufbau des Grundnetzes eine Führungsaufgabe übernehmen sollte. Wir Länder müssen - das
ist völlig klar - unseren Beitrag leisten. Der Aufbau des Grundnetzes ist von großer
Bedeutung.
Meine Damen und Herren, wir sollten die Ereignisse des 11. September gemeinsam als
Herausforderung begreifen, aber auch als Anlass zur Besinnung auf das, was wesentlich ist.
Im Rahmen dieser Besinnung sollte man vielleicht auch einmal die Scheuklappen ablegen und
sehen, was, an der Sache orientiert, notwendig ist.
Wir müssen uns mit den Werten, dem Fundament unseres Handelns, und unserer Verantwortung
für den Bürger beschäftigen sowie mit dem Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und
rechtsstaatlichem Handeln zum Sichern der Freiheit. Da gibt es ein Spannungsverhältnis,
aber darüber kann man doch rational diskutieren, ohne zu diffamieren.
Die innere Sicherheit ist eine Grundvoraussetzung des gedeihlichen Zusammenlebens unserer
Bürger und ihres Vertrauens in den Rechtsstaat. Freiheit und
Unversehrtheit unserer Bürger sind hohe Güter in unserer offenen Gesellschaft. Sie zu
schützen muss der Maßstab unseres Handelns sein. Handeln wir, bevor es zu spät ist!
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
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