Rede des stellvertretenden Vorsitzenden des Rechtsausschusses
Hermann Bachmaier (SPD) zum Thema "Sicherheit 21 - Was zur Bekämpfung des
internationalen Terrorismus jetzt zu tun ist"
Vom 18. Oktober 2001
Hermann Bachmaier (SPD):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da Herr Kollege Graf und Minister Beckstein
gerade im Begriff sind, das Problem der Amtshilfe zu lösen, brauche ich dazu nichts
weiter zu sagen. Ich habe Ihnen allerdings die erfreuliche Mitteilung zu machen, dass für
das gesamte Bundesgebiet, also unter anderem auch für Bayern, in den kommenden Wochen 650
Fahrzeuge der von Ihnen gewünschten Art angeliefert werden. Sie werden Ihren gerechten
Anteil daran erhalten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Es steht außer Zweifel, dass wir nach den einschneidenden Ereignissen vom 11. September
unsere bisherige Sicherheitsarchitektur überdenken und überprüfen müssen. Wir müssen
dem berechtigten Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung gerecht werden. Wir dürfen aber
unsere rechtsstaatliche Ordnung bei diesem Vorgehen keinen unzumutbaren Belastungen
aussetzen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Mit Recht hat deshalb der Bundeskanzler in seiner Grundsatzrede vom 19. September darauf
hingewiesen, dass wir die Werte, die wir gegen den Terrorismus verteidigen, nicht selber
infrage stellen dürfen. Selbstverständlich ist dabei, dass wir die möglichen Maßnahmen
daraufhin überprüfen, ob sie erforderlich und geeignet sind, der neuen Herausforderung
zu begegnen und gerecht zu werden. Augenmaß und Fingerspitzengefühl sind dabei nicht die
schlechtesten Ratgeber.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Dies hat vor allem dann zu gelten, wenn wir uns in sensiblen Bereichen unserer
freiheitlichen Ordnung bewegen.
Wir sind uns darüber einig, dass die Sicherheitsorgane personell und technisch ausgebaut
werden müssen. Dies hat auch die heutige Debatte er geben. Sie müssen in die Lage
versetzt werden, auf die neue Gefahr angemessen zu reagieren. Dies gilt für Polizei und
Bundesgrenzschutz ebenso wie für alle anderen Sicherheitsorgane, denen wir uns anvertraut
haben. Auch über viele einzelne gesetzgeberische und administrative Maßnahmen, die jetzt
geboten sind, werden wir sicherlich schnell Einigkeit erzielen können; auch dies wurde
heute deutlich.
Nicht hilfreich ist es allerdings, wenn alle erdenklichen Vorschläge wie der aus der
Schublade gekramt werden. Jetzt ist nicht die Stunde, in der auch noch der letzte
Ladenhüter aus der Wunschliste der Vergangenheit aus gegraben werden sollte, unabhängig
davon, ob er uns weiterhilft oder nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Der alte
Hut! Schon wieder!)
Es ist auch nicht die Zeit, in der wir uns wilde polemische Schlachten darüber liefern
sollten - auch dies ist heute deutlich geworden; Herr Beckstein,
da wäre eine gewisse rhetorische Mäßigung durchaus am Platz gewesen -,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Ihr könnt ihm nur nicht
das Wasser reichen!)
wem nun die Sicherheit unseres Landes mehr oder weniger am Herzen liegt. Über die
richtigen Wege können wir streiten. Aber über das Grundanliegen sollte in diesem Hause
Einigkeit bestehen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
In einem Punkt der beabsichtigten Vorgehensweise allerdings unter scheiden wir uns doch
recht wesentlich von Ihnen. Wir alle sprechen gern da von, dass wir eine wehrhafte
Demokratie haben. Das ist richtig so. Das Grundgesetz
bietet genügend Spielräume und stellt genügend Instrumentarien zur Verfügung, um die
Feinde des Rechtsstaates und der Demokratie zu bekämpfen. Wir setzen aber alles daran,
die für notwendig erachteten Maßnahmen aus dem vorgegebenen Rahmen unserer grundgesetzlichen Ordnung zu entwickeln. Sie sind
immer wieder - dies zeigt auch der heute zu beratende Antrag - schnell bei der Hand, ohne
Not tragende Säulen der Grundarchitektur unseres Landes infrage zu stellen.
(Beifall bei der SPD - Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Quatsch!)
- Ich zähle es gleich auf, Herr Marschewski.
Da werden zum Beispiel neue Kompetenzen für die Bundeswehr und ein Ausbau ihrer
Befugnisse im Innern gefordert. Dabei bietet eine recht verstandene Amtshilfe alle
erdenklichen Möglichkeiten, die wir benötigen, und es bleibt bei dem bisherigen verfassungsrechtlichen Rahmen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Sie reden über die Schaffung eines Bundessicherheitsamtes zur "Institu
tionalisierung der Zusammenarbeit aller für die Sicherheit verantwortlichen Dienste und
Einrichtungen", wie es so schön in Ihrem Antrag heißt.
Auch wird der alte Wunsch wieder aufgegriffen, verdeckten Ermittlern milieubedingte
Straftaten gesetzlich zuzugestehen.
Selbstverständlich darf, wenn man schon dabei ist, die alte Forderung nicht fehlen, neben
der so genannten akustischen Wohnraumüberwachung auch noch den Spähangriff, also die
Videoüberwachung, durch eine weitere Änderung von Art. 13 des Grundgesetzes
zu ermöglichen.
(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Sehr nötig!)
Wer seine Instrumentarien an derart grundsätzlichen Eingriffen in unsere Freiheitsrechte
orientiert, der ist natürlich auch schnell bei der Hand, den verfassungsrechtlich verbrieften Datenschutz
lediglich unter der Perspektive des "Täterschutzes" und somit als etwas
grundsätzlich Verwerfliches anzusehen; so heißt es zum Teil wörtlich in Ihrem Antrag.
Meine Damen und Herren, nur in einem Punkt fordern Sie größte Behutsamkeit, Augenmaß
und ein hohes Maß an Zurückhaltung, nämlich wenn es gilt, die möglichen Finanzquellen
terroristischer Angriffe aufzuspüren und des halb den Geldfluss besser unter die Lupe zu
nehmen. Dabei wissen wir, dass eine wirksame Kontrolle der Geldströme eines der
wirksamsten Instrumente im Kampf gegen den Terrorismus ist.
(Beifall bei der SPD)
Meine Damen und Herren, wie alle bewährten Demokratien ist auch unsere Verfassung auf dem Prinzip der Gewaltenteilung und
einem vielfältigen System von Begrenzungs- und Kontrollmechanismen, also einem System der
"checks and balances", aufgebaut. Dieses System sollten wir auch in schwierigen
Zeiten nicht infrage stellen. Rütteln Sie also nicht ständig an den Grundprinzipien
unserer Verfassung!
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Die Ihnen und uns bereits vorliegenden Initiativen und Vorschläge der Bundesregierung
belegen, dass effizientes Vorgehen und die Bewahrung unserer staatlichen Ordnung kein
Widerspruch sind. Dies gilt - davon gehe ich aus - auch für die bereits angekündigten
und heute angerissenen Vorschläge, die von der Bundesregierung entwickelt werden. Wir
sehen diesen Vorschlägen entgegen und werden unseren
parlamentarischen Rechten und Pflichten nach kommen, aber immer gemessen an den
Maßstäben, die ich hier genannt habe.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD)
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