Rede der stellvertretenden Vorsitzenden der PDS-Fraktion Petra
Pau zum Thema "Sicherheit 21 - Was zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus
jetzt zu tun ist"
Vom 18. Oktober 2001
Petra Pau (PDS):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir werden die Qualität und die Effizienz im Kampf gegen den Terrorismus verbessern. Aber
wir werden unter keinen Umständen den Rechtsstaat einschränken.
(Beifall bei Abgeordneten der PDS)
Dieses Zitat stammt vom Bundeskanzler. Sie kennen es. Wir nehmen es ernst und wir haben es
in dieser einen Woche auch nicht vergessen.
(Beifall bei der PDS)
Das heißt, die PDS stellt bei jedem neuen Vorschlag drei Fragen: Erstens. Bringt er mehr
Sicherheit oder gibt er das nur vor? Zweitens. Stärkt dieser Vorschlag den Rechtsstaat
oder unterläuft er seine Regeln? Wie bei jeder Medizin prüfen wir drittens: Was
überwiegt, die Heilwirkung oder die Nebenwirkungen? Diese Prüftriade kennen Sie auch
schon. Ich habe Ihnen vor einer Woche versprochen, dass wir diese Elle an alle Dinge, die
auf den Tisch des Hauses kommen, anlegen.
Nun liegen Anträge vor und weitere sind bereits angekündigt. Dem Antiterrorpaket aus dem
Hause Schily soll ein zweites folgen. CDU/CSU mühen sich verzweifelt, dagegen nicht blass
auszusehen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Quatsch!)
Ich kenne viele Bürgerinnen und Bürger, die dazu sagen: Wir sehen nicht mehr durch; aber
die Hauptsache ist, es wird überhaupt etwas getan.
(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ CSU]: Da kennen Sie aber komische Menschen!)
Ich kann das sehr wohl nachvollziehen, denn es gibt berechtigte Ängste. Aber es gibt auch
Angstmacherei und es gibt Scharlatane, die aus allem privaten oder auch politischen Profit
ziehen wollen.
(Beifall bei der PDS)
Ich kenne jedoch auch andere, Bürgerrechtler, Rechtsanwälte, kritische Polizistinnen und
Polizisten, Journalisten, seltener allerdings Politikerinnen und Politiker, die warnen. So
war in diesen Tagen in einer Berliner Zeitung zu lesen:
Konzentrierte sich das erste Sicherheitspaket, das vergangene Woche im Bundestag
debattiert wurde, auf die direkte Bekämpfung des Terrorismus, so legt das Ministerium nun
ein Sammelsurium von 30 Gesetzesänderungen vor, die allzu oft mit Prinzipien des
Rechtsstaates brechen.
Die PDS-Fraktion teilt diese veröffentlichte Einschätzung. Ich werde Ihnen im Detail
aufzeigen, warum.
Vorher bewegt mich aber noch eine grundsätzliche Frage. Der Bundeskanzler sagt: Mehr
Sicherheit ja, aber keine Einschränkung des Rechtsstaates. Der Bundesinnenminister
scheint derweil nach dem Motto zu handeln: Mein ist die Sicherheit. Mal sehen, was vom
Rechtsstaat am Ende noch übrig bleibt.
(Beifall bei Abgeordneten der PDS)
Ich frage mich schon: Wer hat nun im Bundeskabinett die Richtlinienkompetenz, der Kanzler
oder der Innenminister?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe Ihnen vor einer Woche dargelegt, bei welchen
Vorhaben Sie grundsätzlich mit unserer Unterstützung und Zustimmung rechnen können. Im
Konkreten können wir hier über die sinnvollste Lösung miteinander streiten.
Ich denke, wir brauchen erstens eine Polizeireform, wir brauchen zweitens einen effektiven
Katastrophenschutz, wir brauchen drittens internationale Kooperation und wir brauchen
viertens mehr Prävention. Denn wir wollen fünftens mehr öffentliche Sicherheit in einer
offenen, rechtsstaatlichen Gesellschaft.
Zu alledem hat die PDS in dieser Woche Vorschläge unterbreitet. Wir werden auch weiterhin
nicht zulassen, dass das Thema öffentliche Sicherheit zu einem Wettrennen von
konservativen und rechten Parteien verkommt. Ich finde, dort ist dieses Thema deutlich
fehlbesetzt.
(Beifall bei der PDS)
Öffentliche Sicherheit und soziale Gerechtigkeit sind linke Themen und gehören im
Übrigen zusammen.
Obendrein sind es wichtige Themen und so grundsätzlich, dass sich jeder Populismus
verbieten sollte, egal, mit wie viel Schill der Vorschlag daherkommt.
Nun zu den konkreten Vorschlägen: Das erste Beispiel ist die Kronzeugenregelung. Sie
besagt: Wer Straftaten begeht und anschließend jemanden nennt, der ebenfalls ein
Straftäter sein könnte, bekommt Strafmilderung. Nun streiten sich SPD und Grüne, wie
viel Strafmilderung verträglich sein könnte, um dem Rechtsstaat nicht Unrecht zu tun.
Ich sage Ihnen: Wir lehnen die Kronzeugenregelung ab.
(Beifall bei der PDS)
Zugleich ist dieser Streit noch die harmlose Variante eines mittelalterlichen, aber
aktuellen Ablasshandels. Im CDU/CSU-Antrag "Sicherheit 21" wollen Sie, dass sich
verdeckte Ermittler nicht strafbar machen, wenn sie - ich zitiere - "zur Sicherung
ihrer Einsätze ... gegen die Rechtsordnung verstoßen müssen." So etwas sehe ich
mir gelegentlich amüsiert in einem James-Bond-Film an. Aber mit dem Rechtsstaat hat
dieser Vorschlag überhaupt nichts zu tun.
(Beifall bei der PDS)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, Sie sind genauso wie alle anderen
Fraktionen in diesem Haus aufgefordert, noch mehr Aufmerksamkeit und Gedankenarbeit darauf
zu verwenden, wie wir diejenigen, welche für die Terrorismusbekämpfung und für die
öffentliche Sicherheit zu ständig sind, endlich so ausstatten, dass sie ihre Arbeit
machen können, und wie wir dafür sorgen können, dass nicht nur ihre Überstunden
abgebaut, sondern dass sie gerecht bezahlt werden. Das beziehe ich nicht nur auf die noch
bestehen den Unterschiede zwischen Ost und West, sondern durchaus auch auf Ihr
Versorgungsreformpaket. Das gehört endgültig in den Papierkorb.
(Beifall bei der PDS)
Ein zweites Beispiel, das in der Debatte ist: Der Bundesinnenminister will, dass
Personalausweise künftig nicht nur ein Lichtbild, sondern auch Finger abdrücke und
weitere biometrische Daten beinhalten. Das Ganze soll möglichst fälschungssicher und
verschlüsselt sein. Konsequent zu Ende gedacht, hieße das, ich würde einen Ausweis mit
mir herumtragen müssen, der sehr viele erkennungsdienstliche Merkmale über mich
beinhaltet, die mir selbst aber verborgen bleiben. Wenn ich im Sinne der Terrorismus- und
Kriminalitätsbekämpfung weiterdenke, wäre dies nur sinnvoll, wenn es eine entsprechende
zentrale Vergleichsdatei gäbe. Über einen Datenaustausch wäre dann zu ermitteln, ob ich
verdächtig bin oder nicht. Auch das hat mit rechtsstaatlichen Prinzipien wenig zu tun;
denn dort gilt immer noch die Unschuldsvermutung. Es darf nicht sein, dass der Unschuldige
alles zu hinter legen hat, was ihn unschuldig erscheinen lässt. Mit dem grundlegenden
Recht auf informationelle Selbstbestimmung hat das Ganze nichts zu tun.
(Beifall bei Abgeordneten der PDS)
Damit komme ich zu einem letzten Beispiel: Die PDS-Fraktion hat die Bundesregierung
gefragt, ob es angebracht ist, über einen schnelleren Ausstieg aus der Kernenergie
nachzudenken. Sie erinnern sich: Ganze anderthalb Tage war das in der
öffentlichen Debatte ein Thema. Die kurze, knappe Antwort der Bundesregierung ist: Nein.
Das mögen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, verstehen; ich
verstehe es nicht.
Danke schön.
(Beifall bei der PDS)
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