Rede des Abgeordneten Norbert Geis zu Gesetzentwürfen zur
Bekämpfung des Terrorismus und Erhöhung der inneren Sicherheit
Vom 11. Oktober 2001
Norbert Geis (CDU/CSU):
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der ersten Debatte
nach dem 11. September sagte unser Fraktionsvorsitzender, als über den Angriff auf New
York und Washington diskutiert wurde: Dies war ein Angriff aus der Hölle! - In der Tat,
wir haben eine derartige Konzentration des Bösen erlebt, dass sie unser Fassungsvermögen
übersteigt. Nie hätten wir glauben mögen, dass Menschen zu solchen Taten fähig sind,
dass sie ihr Leben wegwerfen und damit Tausende anderer Menschen in den Tod reißen.
Die Attentäter haben sich auf den heiligen Krieg berufen. In Wirklichkeit haben sie sich
wie Besessene verhalten. Bei einer solchen Tat kann man sich auf keine Religion berufen.
Keine Religion wird je eine solche Tat rechtfertigen. Das entspringt einem Wahn, hat mit
Religion nichts zu tun, sondern vielleicht mit Krankheit, mit einer eingeschränkten
Denkweise oder auch mit Besessenheit. Das ist es, was uns beunruhigt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach dem 11. September müssen wir mit allem
rechnen. Der Wahn der Terroristen ist die eine Seite. Aber die andere Seite ist, dass sie
von Ländern unterstützt werden, die arm sind und nicht an dem Ölreichtum teilhaben.
Dort wachsen Neid und Wut. Dort wächst die Atmosphäre, die zur Unterstützung solcher
terroristischen Taten notwendig ist. Dorthin ziehen sich die Terroristen zurück. Dort
bilden sie ihre Zellen. Dort haben sie ihre Basen, in denen sie neue Anschläge
vorbereiten. Wir müssen deswegen in einer klugen Weise versuchen, diese Länder von einem
solchen Verhalten abzuhalten, und das kann auch mit Hilfe wirtschaftlicher Unterstützung
geschehen.
Wir müssen aber auch mit dem Islam ins Gespräch kommen. Das ist Aufgabe der westlichen
Welt. Der Papst hat von Kasachstan aus unmittelbar nach diesen Anschlägen dazu
aufgerufen, dass die Kulturen miteinander ins Gespräch kommen. Es muss in der Welt eine
Atmosphäre, eine Zivilisation des Verständnisses herrschen. Es muss, wie Paul VI. es
Mitte der 70er-Jahre gesagt hat, eine Zivilisation der Liebe entstehen, damit die Völker
und die Menschen in Zukunft überhaupt noch in Freiheit leben können.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Auch das sollten wir uns in diesen Tagen einmal durch den Kopf gehen lassen.
Jetzt kommt es darauf an, die unmittelbare Gefahr des Terrorismus zu bekämpfen. Es geht
darum, dass wir die Gruppen der Terroristen, die Zellen in den fraglichen Ländern, auch
mit Waffengewalt bekämpfen. Es geht aber auch darum, dass wir solche terroristischen
Erscheinungen in unserem Land genau beobachten und entschieden bekämpfen. Die Toleranz
gegenüber ausländischen Extremisten und die mangelnde Entschlossenheit, gegen diese
vorzugehen, waren gewiss falsch. Eine solche Nachlässigkeit können wir uns in Zukunft
nicht mehr leisten.
Wir haben schon vor dem 11. September lange über diese Fragen diskutiert. Wir haben uns
sowohl hier als auch im Ausschuss sehr kontrovers damit auseinander gesetzt. Aber ich
glaube, dass nun, nach dem 11. September, ein anderes Bewusstsein, auch in der
Regierungskoalition, entstanden ist. Wir jedenfalls werden alle Maßnahmen unterstützen,
die der Sicherheit unserer Bevölkerung dienen. Wir werden auch, lieber Herr Meyer, über
alle Maßnahmen diskutieren; wir sind keinen Vorschlägen gegenüber verschlossen.
Allerdings dürfen wir auch nicht verschweigen, dass die Regierungskoalition in den
letzten drei Jahren keinen einzigen zählbaren Gesetzentwurf vor gelegt hat, der im Kampf
gegen den Terrorismus und gegen die Kriminalität eine Rolle gespielt hätte.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Jetzt sind Sie endlich aufgewacht.
So bei der Kronzeugenregelung: Wir können hier doch nicht verschweigen, dass Sie die
Kronzeugenregelung einfach haben auslaufen lassen, ohne sich Gedanken darüber zu machen,
wie es danach weitergehen soll. Es gab vielleicht wenige unter Ihnen, die sich doch
Gedanken gemacht haben - das will ich nicht verschweigen -; sicherlich haben Sie, Herr
Innenminister, sich darüber Gedanken gemacht und sich auch dazu geäußert. Es gab in den
vergangenen zwei Jahren aber keinen Vorschlag - von Ihnen nicht und von der Koalition
nicht -, die Kronzeugenregelung wieder - wenn auch vielleicht in Ihrem Sinne in einer
verbesserten Weise - wieder einzuführen.
Jetzt machen Sie diesen Vorschlag; wir werden ihn prüfen. Wir selbst haben diesen
Vorschlag bereits in unserem Gesetzentwurf gemacht, den wir vor der Sommerpause
eingebracht haben. Wir differenzieren im Übrigen in diesem Gesetzgebungsvorschlag; wir
übernehmen nicht einfach die alte Kronzeugenregelung. Wir sind der Meinung, dass sich ein
Straftäter, der das Blaue vom Himmel herunterlügt, nicht auf die Kronzeugenregelung
berufen können darf. Vielmehr muss er, wenn sich seine Lügen als solche herausstellen,
auch nachträglich verurteilt werden können. Da differenzieren wir also. Was immer Sie
aber auch vorschlagen werden: Es wird besser sein als die zweijährige Gesetzeslücke, mit
der wir bislang auskommen mussten.
Nun mag jemand sagen - vielleicht hat er damit auch gar nicht Unrecht -, der 11. September
wäre auch durch die Kronzeugenregelung nicht verhindert worden; aber darum geht es doch
gar nicht. Es geht darum, dass die Terroristen in unserem Land gelebt und hier einen
Ruheraum gesucht und gefunden haben. Sie haben sich unter dem Dach unserer Rechtsordnung
gewissermaßen sicher gefühlt.
(Alfred Hartenbach [SPD]: Seit 1996! Als Sie Regierungsverantwortung hatten!)
Das kann aber nicht die Aufgabe unserer Rechtsordnung sein. Deswegen müssen wir jetzt -
da bleibt kein anderer Weg; es sind auch entsprechende Maß nahmen von Ihrer Seite, also
vonseiten des Innenministeriums und des Justizministeriums, vorgeschlagen worden -
versuchen, unsere Rechtsordnung so auszurichten, dass solche terroristischen
Machenschaften aufgedeckt werden können. Wir sehen ebenfalls die rechtsstaatlichen
Bedenken gegen die Kronzeugenregelung; das wollen wir nicht verschweigen. Dort aber, wo es
um die Sicherheit unserer Bevölkerung geht, dort, wo es darum geht, Terror und schwere
Kriminalität zu bekämpfen, hat die Sicherheit, hat der Kampf gegen schwere Kriminalität
Vorrang vor dem Strafanspruch des Staates.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wer die Verhältnisse hier umkehren wollte, würde den Strafanspruch überhöhen. Das will
hoffentlich keiner von uns. Diese Zeit haben wir längst überwunden.
Einen wichtigen Punkt hat Herr Meyer eben angesprochen: Es geht natürlich darum, der
organisierten Kriminalität, aber auch dem Terrorismus den Geldhahn abzudrehen. Hier gibt
es, auch von Ihnen, viele Vorschläge. Wir haben sogar gemeinsam Ihre und unsere
Vorschläge noch am Ende der letzten Legislaturperiode umgesetzt. Das war aber nicht
vollständig genug. Ich weiß auch, wie schwierig es ist, an den Gewinn der Verbrecher
heranzukommen. Ich bin allerdings nicht Ihrer Auffassung, was das Bankgeheimnis angeht.
Ich glaube, in diesem Punkt wird die Diskussion zu sehr aufgeplustert. Wir wissen doch
alle - Sie wissen es genauso gut wie ich -, dass bei der Strafverfolgung - Herr van Essen
hat es gesagt - das Bankgeheimnis keine Rolle spielt. Natürlich können wir im
Ermittlungsfall schon jetzt die Geldströme verfolgen. Die Staatsanwaltschaften können
schon jetzt die Bankbebediensteten und deren Mitarbeiter vor Gericht zitieren und als
Zeugen oder Sachverständige vernehmen. Deswegen glaube ich, dass diese Diskussion ein
wenig überzogen ist. Aber bitte, wir wer den darüber im Ausschuss beraten und versuchen,
auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.
Wir meinen schon, Herr Meyer, dass der Weg, den wir jetzt vorschlagen - vielleicht ist es
nicht der letzte Vorschlag, den wir im Rahmen der Gewinnabschöpfung machen -, eine
Möglichkeit ist. Wir müssen zu einer präziseren gesetzlichen Formulierung kommen, damit
wir besser an den mittelbaren Gewinn, wie Sie ihn richtig bezeichnet haben, herankommen.
Das gelingt uns im Moment nicht.
(Dr. Jürgen Meyer [Ulm] [SPD]: Das liegt nicht an den Gesetzen!)
Die Gewinnabschöpfung klappt nicht. Sie führt nicht zu den gewünschten Zielen. Deswegen
müssen wir uns immer wieder aufs Neue Gedanken machen. Insoweit bin ich für jeden
Vorschlag dankbar.
Wir brauchen im Rahmen der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, aber auch des
Terrorismus - das haben wir uns immer vorgenommen - eine Verbesserung der
Telefonüberwachung. Wir haben schon lange gefordert, Delikte wie Kreditkartenfälschung
und Fälschung von Euroschecks sowie Bestechung, Menschenhandel, Computerbetrug,
Investitionsbetrug und den betrügerischen Bankrott in die Überwachung einzubeziehen. Wir
halten dies für not wendig und bitten Sie, sich in dieser Frage offen zu zeigen.
Ich weiß aber nicht, ob die von Ihnen vorgeschlagene Hochstufung der schweren
Steuerhinterziehung zu einem Verbrechen wirklich zum Erfolg führt.
Wir werden darüber diskutieren. Aber es ist zu bedenken, dass die Steuerhinterziehung
nicht das klassische Betätigungsfeld der Mafia und der Terroristen ist. Deswegen sollte
man mit solchen Vorschlägen vorsichtig sein. Aber, Herr Meyer, wir werden diese
Vorschläge diskutieren und werden versuchen, zu einer gemeinsamen Regelung zu kommen.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Meyer?
Norbert Geis (CDU/CSU): Bitte sehr.
Dr. Jürgen Meyer (Ulm) (SPD): Herr Kollege Geis, stimmen Sie mit mir darin
überein, dass die von Ihnen genannten Gruppen wie Mafia und Terroristen ihre Einkommen
nicht versteuern, die sie aus Drogenhandel, aus illegalem Waffenhandel und aus
Frauenhandel beziehen? Diese Gruppen betreiben zwangsläufig Steuerhinterziehung großen
Stils, weil sie sich ansonsten durch eine entsprechende Steuererklärung der
Staatsanwaltschaft als Straftäter zu erkennen geben würden. Meinen Sie nicht, dass Ihre
Auffassung, die schwere Steuerhinterziehung sei keine klassische Straftat der Mafia und
der Terroristen, überdacht werden muss, weil sie für die organisierte Kriminalität
sogar notwendig ist, um ihre Gewinne zu sichern?
(Beifall bei der SPD - Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Kein Mensch hat es
verstanden!)
Norbert Geis (CDU/CSU): Herr Meyer, wir überdenken alles. Einen Punkt sollten aber
auch Sie dabei bedenken, nämlich dass die eigentliche Straftat der Drogenhandel ist, aus
dem die Gelder fließen. Wir müssen in erster Linie also die Ursprungstat und nicht die
Steuerhinterziehung - ich gebe zu, dass sie daraus folgt - bekämpfen. Wir müssen die aus
dem Drogenhandel fließenden Gelder einziehen, die wir im Übrigen jetzt schon einziehen
können, da für diesen Fall der erweiterte Verfall gilt. Ich bleibe deswegen dabei: Wir
sollten uns nicht so schnell dort auf neue Strafnormen einlassen, wo es sich nach meiner
Auffassung nicht um ein klassisches Betätigungsfeld der Mafia und des Terrorismus
handelt.
Wir brauchen eine Erweiterung der Möglichkeit, die Bewegungsabläufe von Tätern
festzustellen, die den Mobilfunk benutzen. Wir brauchen die Einführung der
Speicherungspflicht von Daten - wer telefoniert wann und wo -, die bei
Telekommunikationsgesellschaften anfallen. Das könnte für die Polizei interessant sein.
Wir brauchen eine bessere rechtliche Grundlage, an solche Daten heranzukommen. § 12 des
Gesetzes über Fernmeldeanlagen darf nicht in seiner Wirkung geschmälert werden. Wir sind
froh, dass er verlängert wird.
(Alfred Hartenbach [SPD]: Nicht verlängert, sondern neu gefasst, Herr Geis!)
Der Zugriff der Ermittler auf diese Daten, wie er jetzt nach § 12 FAG möglich ist, muss
natürlich erhalten bleiben.
Ich möchte noch eine Bemerkung zum verdeckten Ermittler machen. Dieser Punkt ist
ebenfalls in unserem Gesetzentwurf enthalten. Wir sind der Meinung, dass es ein wichtiges
Mittel ist, verdeckte Ermittler in terroristische Organisationen einzuschleusen. Wir
wissen, dass es möglich ist. Das gilt für die organisierte Kriminalität genauso wie
für den Terrorismus. Wir müssen die Situation der verdeckten Ermittler - das sind
Menschen, die bereit sind, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, um die Rechtsordnung zu
schützen - rechtlich anders werten. Wer bereit ist, sein Leben einzusetzen, um die
Rechtsordnung zu schützen, und dabei geringfügige Straftaten begeht, durch die andere
nicht geschädigt werden, der handelt nicht gegen die Rechtsordnung. Dieses Vorgehen ist
nach unserer Auffassung gerechtfertigt. Darüber sollten wir nachdenken.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU)
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