Rede des Abgeordneten Dr. Max Stadler zu Gesetzentwürfen zur
Bekämpfung des Terrorismus und Erhöhung der inneren Sicherheit
Vom 11. Oktober 2001
Dr. Max Stadler (FDP):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der erste Teil der Rede von Herrn Wiefelspütz - danach ist er zum
Wahlkampf übergegangen - und die Kurzintervention des Kollegen Häfner haben wie manche
andere Beiträge das Kernproblem der heutigen Aussprache berührt: das Verhältnis von
Sicherheit und Freiheit. Deswegen möchte ich Sie daran erinnern, dass dieses Hohe Haus im
Frühjahr dieses Jahres fraktionsübergreifend einen Beschluss gefasst hat, mit dem wir
uns verpflichtet haben, Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt
zu bekämpfen. Wir sehen es nämlich als unerträgliche Einschränkung der persönlichen
Freiheit an, wenn sich Menschen in so genannten national befreiten Zonen nicht mehr sicher
und frei bewegen können. Unser Grundgedanke war: Ohne Sicherheit gibt es keine Freiheit.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Dieser Grundgedanke gilt angesichts der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus
erst recht. Deshalb unterstützt die FDP als Freiheitspartei ausdrücklich die Bemühungen
der Bundesregierung und des Bundesinnenministers Otto Schily, die innere Sicherheit in
Deutschland zu verbessern.
Ein Kriterium für die Zustimmungen im Einzelnen ist selbstverständlich, dass die
Maßnahmen geeignet und notwendig sein müssen. In diesem Zusammenhang kommt man sehr
rasch zur Frage des Vollzugsdefizits bei der inneren Sicherheit: Woran liegt es, dass
offenkundig die zahlreichen zum Beispiel von CDU/CSU und FDP in den beiden letzten
Legislaturperioden beschlossenen Sicherheitsgesetze in der Praxis nicht richtig und nicht
ausreichend angewandt werden? Man kommt rasch zu der Feststellung, dass es den
Sicherheitsbehörden an Personal- und Sachausstattung fehlt.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Die Politik muss bereit sein, den Sicherheitsbehörden das notwendige Personal und die
notwendige Ausstattung zur Verfügung zu stellen.
(Ludwig Stiegler [SPD]: Aber für den Haushalt waren Sie damals auch zuständig!)
Wir dürfen die Innenminister, die Justizminister und die Finanzminister von Bund und
Ländern aus dieser Verantwortung nicht entlassen. Denn das wäre die wirksamste
Maßnahme, die man sofort ergreifen könnte.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Darüber hinaus werden nun zahlreiche Gesetzesänderungen diskutiert. Die FDP-Fraktion hat
dazu in einem umfangreichen Thesenpapier bei weitgehender Zustimmung zu den Vorschlägen
der Bundesregierung eine differenzierte Position vertreten. Wir werden den notwendigen
Gesetzesänderungen zustimmen. Aber das heißt nicht, dass wir alles unbesehen
unterschreiben werden.
(Dieter Wiefelspütz [SPD]: Warum nicht? - Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Zum Beispiel bleibt die FDP dabei, dass jetzt nicht unter dem Vorwand der
Terrorismusbekämpfung der gläserne Bürger geschaffen werden darf.
(Beifall bei der FDP)
Meine Damen und Herren, es ist dem Vorschlag zuzustimmen, neue identitätssichernde
Maßnahmen vorzusehen, etwa Fingerabdrücke oder viel leicht modernere technische
Maßnahmen für die Ausweispapiere.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genetische Fingerabdrücke?)
Das eigentliche Problem ist doch: Was geschieht mit Daten, die notwendiger weiseerhoben
werden? Da ist allerdings durch die Datenschutzgesetzgebung und auch durch die
verdienstvolle Tätigkeit der Datenschutzbeauftragten - zum Beispiel berichtet Herr Jacob
jährlich dem Bundestag - sichergestellt, dass diese Daten ausschließlich zweckgebunden
verwandt werden. Darauf kommt es an.
(Beifall bei der FDP)
Herr Minister Schily, wir sind Ihnen dankbar, dass Sie heute klargestellt haben, dass der
Einsatz der Bundeswehr nach innen über das verfassungsmäßig
zulässige Maß hinaus für Sie nicht infrage kommt, ebenso wenig die Schaffung unnützer
Bürokratien wie eines Bundessicherheitsamts. Das deckt sich voll mit der Auffassung der
FDP.
Meine Damen und Herren, zu einer rationalen Sicherheitspolitik gehört auch die ständige
Erfolgskontrolle von gesetzgeberischen Maßnahmen. Die FDP hatte sich dafür eingesetzt,
im Bereich der Telefonüberwachung eine solche Erfolgskontrolle durch den Bundestag
einzuführen. An diesem Modell wer den wir uns auch jetzt bei neueren gesetzlichen
Maßnahmen orientieren, weil wir wollen, dass Gesetzgebung nicht Aktionismus bleibt,
sondern wirklich er folgsbezogen arbeitet.
(Beifall bei der FDP)
Lassen Sie mich als Letztes noch erwähnen, dass im Zuge der internationalen Bedrohung
vieles Stückwerk bliebe, wenn Maßnahmen nicht international vereinbart würden,
mindestens EU-weit. Sonst könnte manches, was jetzt vorgeschlagen wird, zu leicht
umgangen werden. Dies ist ein besonders wichtiger Aspekt aus der Sicht der Freien
Demokraten.
Meine Damen und Herren, ich möchte insofern um Verständnis für den Kollegen Marschewski
werben, als seine Formulierung zu der Frage, wer Grundrechte hat und wer sie nicht hat, in
der Hitze des Gefechts vielleicht nicht völlig geglückt war. Es ist doch völlig
selbstverständlich, dass jeder Mensch das unveräußerliche Recht auf Leben und die
Menschenwürde hat und dass es unveräußerliche Menschenrechte gibt.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alle vier im ersten Artikel sind nicht einschränkbar!)
Weil ein solcher sprachlicher Lapsus eben auch einmal vorkommen kann, darf ich am Schluss
mein ceterum censeo wiederholen: Wir werden die Freiheit und die Sicherheit schützen,
aber ausschließlich mit rechtsstaatlichen Mitteln.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
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