Rede des Abgeordneten Joachim Stünker zu Gesetzentwürfen zur
Bekämpfung des Terrorismus und Erhöhung der inneren Sicherheit
Vom 11. Oktober 2001
Joachim Stünker (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute in erster Lesung ganz
konkret ein Konglomerat von sechs Gesetzentwürfen, die zwar von unterschiedlichen
Verfassern, die aber alle mit der Zielsetzung eingebracht worden sind, eine noch
effektivere Strafverfolgung in unserem Land zu gewährleisten und den Menschen ein Mehr an
innerer Sicherheit zu bringen. Jeder dieser Entwürfe bedarf daher einer gründlichen und
vor allen Dingen - das möchte ich betonen - vorurteilsfreien Beratung. Von daher, Herr
Geis, war ich über die moderaten Töne in Ihrer Rede heute Morgen sehr erfreut. Ich
denke, wir sollten bei dem Thema der inneren Sicherheit den parteipolitischen Streit
wirklich hintanstellen.
Dem Bedürfnis der Menschen nach Sicherheit, nach Schutz vor Kriminalität und vor
Terrorismus nachzukommen ist nämlich ein hohes Gut. Wir als Gesetzgeber haben uns dieser
Aufgabe daher mit großem Ernst und sehr viel Verantwortung zu widmen. Dazu werden wir in
den vor uns liegenden Wochen und Monaten sicherlich noch in vielen Bereichen Gelegenheit
haben.
Der Gesetzgeber hat bei dieser Aufgabe - es ist mir gerade heute wichtig, darauf
hinzuweisen - das Normen- und Wertesystem unseres Grundgesetzes
nicht nur zu beachten, sondern auch strikt einzuhalten. Wir müssen uns bei jeder
einzelnen Regelung immer wieder bewusst machen, dass jegliche Strafverfolgung an den
Geboten der Rechtsstaatlichkeit auszurichten ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die zu beratenden Vorschläge sind daher samt und sonders an diesem Normen- und
Wertesystem zu messen. Ich bin sehr froh darüber, dass der Herr Bundeskanzler heute
Morgen in seiner Regierungserklärung deutlich
darauf hingewiesen hat, dass es keine Schnellschüsse geben darf.
Vor diesem Hintergrund möchte ich kurz zu drei Regelungen Stellung nehmen: Der Entwurf
der Bundesregierung zur Einführung eines § 129 b in das Strafgesetzbuch wird von den
Koalitionsfraktionen uneingeschränkt begrüßt. Nach heute geltendem Recht ist die
Bildung einer kriminellen Vereinigung ebenso wie die Bildung einer terroristischen
Vereinigung nämlich nur dann strafbar, wenn diese Vereinigungen - zumindest in Form einer
Teilorganisation - im Bereich des Bundesgebietes bestehen. Sind daher Mitglieder einer aus
ländischen kriminellen oder terroristischen Vereinigung im Inland tätig, machen sie sich
nach den geltenden Gesetzen nur unter diesem Gesichtspunkt strafbar. Die Ereignisse des
11. September 2001 und das Ausmaß des Terrorismus, das sich in der Folgezeit gezeigt hat,
haben uns allen aber deutlich gemacht, dass die generelle Erstreckung der genannten
Vorschriften auf im Ausland tätige kriminelle oder terroristische Vereinigungen, deren
Mitglieder bei uns im Inland tätig sind, notwendig ist.
In diesem Gesetzgebungsverfahren darf bei der konkreten Ausgestaltung der Norm jedoch eine
Problemstellung nicht übersehen werden - sie bedarf sogar unserer besonderen Beachtung -:
Die Neuregelung darf in ihrer endgültigen Fassung im Ergebnis nicht so ausgelegt werden
können, dass andere Widerstandsbewegungen in der Welt, die diktatorische oder
verbrecherische Regime bekämpfen, ihrerseits zu kriminellen oder terroristischen
Vereinigungen im Sinne des Gesetzes werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Denn jede Unterstützung einer derartigen Widerstandsbewegung auf deutschem Boden würde
dann nach dem Kontext der gesetzlichen Bestimmungen, der ein bisschen kompliziert ist,
ebenfalls strafbar werden. Es ist schade, dass Herr Bosbach jetzt nicht mehr hier ist, der
diesen Problembereich heute Morgen angesprochen, aber, wie ich glaube, nicht ganz zu Ende
gedacht hat. Denn es gibt eine ganze Reihe von Vorstellungen und Vorschlägen, die dazu
dienen, dies nicht eintreten zu lassen.
Wir werden im Gesetzgebungsverfahren Vorschläge hierzu unterbreiten. Zum Beispiel könnte
man schon in Abs. 4 der Vorschrift, auf die Bezug genommen wurde, das Tatbestandsmerkmal
"Werben" durch das Tatbestandsmerkmal "Anwerben" ersetzen, um
derartige Folgen zu umgehen. Ich hoffe daher auf eine fruchtbare Beratung.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung der §§ 100 g und 100 h in die
Strafprozessordnung hat die Frau Bundesjustizministerin umfassend Stellung genommen. Ich
denke, dem ist nichts hinzuzufügen. Hieran ist von allen Fraktionen des Hauses keine
Kritik geäußert worden. Es ist notwendig, dass die Ermittlungsbehörden an derartige
Daten kommen können. Die Vorschrift genügt dem Bestimmtheitsgebot der Verfassung. Ich denke, deshalb werden wir schnell
einig darüber werden.
Ein dritter Punkt ist mir wichtig. Das ist ein Entwurf, der bisher, soweit ich die Debatte
verfolgt habe, noch nicht diskutiert worden ist, und zwar der Entwurf des Bundesrates zur
Änderung der Strafprozessordnung. Diesem Entwurf vermag ich - ich denke, auch meine
Fraktion - nicht ohne Einschränkung vollinhaltlich zuzustimmen. Denn dieser Entwurf zielt
fast ausschließlich auf eine Verlagerung von Kompetenzen der Staatsanwaltschaft auf die
Polizei im Ermittlungs verfahren. Nun ist es selbstverständlich keine Frage, dass eine
effektive und zugleich an den Geboten der Rechtsstaatlichkeit ausgerichtete
Strafverfolgung der guten und auch vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Polizei und
Justiz bedarf. Darum geht es nicht. Andererseits aber ist gerade in der jüngsten Zeit
deutlich geworden, dass die Staatsanwaltschaft als Herrin des Ermittlungsverfahrens durch
die Strafprozessordnung gestärkt werden muss und nicht geschwächt werden darf.
(Beifall bei der SPD)
Von daher werden wir die Vorschläge des Bundesrates zu diesen Punkten sehr sorgfältig zu
prüfen haben.
Einen Vorschlag des Bundesrates - das kann ich, glaube ich, schon heute hier sagen -
halten ich und meine Fraktion für verfehlt. Er wird mit Sicherheit keine Mehrheit finden
können. Es geht um den Vorschlag, dass Zeugen zukünftig auf Ladung der Polizei
verpflichtet sein sollen, zu erscheinen und auch auszusagen. Das ist ein Grundsatz der
Strafprozessordnung und das kann nur Aufgabe der Staatsanwaltschaft sein. Dem werden wir
mit Sicherheit nicht zustimmen können.
(Beifall bei der SPD)
Man sieht an diesen wenigen Beispielen, dass wir Sach- und Fachpolitiker, die wir uns mit
Rechtspolitik und Sicherheitspolitik zu beschäftigen haben, bei den Neuregelungen, die
jetzt notwendig sind und denen wir uns auch nicht verweigern, sehr gründlich und genau im
Detail hinsehen müssen. Ich wünsche daher uns allen, die wir in diesem Hohen Hause für
Rechtspolitik und Sicherheitspolitik zuständig sind, in den vor uns liegenden Wochen und
Monaten in jedem Einzelfall abgewogene Urteile und Beurteilungen und vor allen Dingen den
notwendigen Mut zur Entscheidung.
Schönen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
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