Rede der stellvertretenden Vorsitzenden der PDS-Fraktion Petra
Pau zum Entwurf eines Zuwanderungsgesetzes der Bundesregierung sowie der Fraktionen der
SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen im Bundestag
vom 1. März 2002[1]
Petra Pau (PDS): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zwei Sätze vorab: Die PDS war und ist der Meinung, die Bundesrepublik ist ein
Einwanderungsland. Das bedeutet, wir brauchen ein Einwanderungsrecht und keine Blockaden.
(Beifall bei der PDS)
Die Frage, über die heute abgestimmt wird, lautet: Kann man dem vorliegenden Gesetz zustimmen? Hier nehme ich das Ergebnis auch
vorweg: Wir werden im Bundestag zu diesem Gesetz
mehrheitlich Nein sagen.
(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wegen der Blockade?)
Heute sollten wir uns noch einmal daran erinnern, dass die gegenwärtige Debatte über ein
Einwanderungsgesetz mit Stichworten wie Doppelpass, Computer-Inder, Greencard und
Leitkultur sowie mit einer Einsicht begann, die bis weit in die CDU/CSU hinein reichte:
dass die Bundesrepublik längst ein Einwanderungsland ist. Was am Beginn der Debatte
fehlte, war ein möglichst modernes Einwanderungsrecht, das die Erfahrungen der
vergangenen Jahrzehnte aufhebt, das sich an internationalen Standards orientiert und das
humanen Ansprüchen genügt. Am Beginn dieser Debatte gelobten alle, natürlich die Lehren
der 60er- und 70er-Jahre aus Ost und West aufzunehmen. Alle erklärten, es dürfe am Ende
nicht wieder die böse und bittere Erkenntnis stehen: Wir wollten Arbeitskräfte, aber
Menschen sind gekommen.
Die erste zentrale Frage in der laufenden Einwanderungsdebatte heißt also: Gelingt mit
diesem Gesetzeswerk ein Paradigmenwechsel? Schaffen
wir ein Bürgerrecht, bei dem nicht die Verwertbarkeit, sondern das Mensch sein im
Vordergrund steht?
(Beifall bei der PDS)
Die zweite Frage lautet: Sucht die Bundesrepublik Anschluss an internationale Normen oder
verharrt sie in einem Zustand aus dem vorvorigen Jahrhundert?
Die dritte Frage lautet: Werden mit diesem Gesetz
willkürliche Regeln abgeschafft, die nicht deutsche Bürgerinnen und Bürger noch immer
zu Menschen zweiter Klasse degradieren? Ich denke, das war und bleibt eine lohnende und
überfällige Aufgabe.
Heute wurde schon mehrfach die Süssmuth-Kommission zitiert.
(Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Wer ist denn das?)
Dort wurde Sachverstand aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Spektren gebündelt:
Wissenschaftler, Kirchenleute, Gewerkschaftler, Bürgerrechtler, Sozialarbeiter,
Rechtskundige und auch die Vertreterinnen und Vertreter aller im Bundestag vertretenen
Parteien fanden hier Gehör. Die PDS hat sich in diese Debatte eingebracht - nicht mit
parteitaktischen Spielen und nicht mit K.o.-Forderungen, sondern - auch schon in der
Anhörung der Süssmuth-Kommission - mit klaren Richtungen. Wir gehen davon aus, dass
Asylbewerber eine humane Behandlung verdienen. Kinder und Familien haben ein Recht auf
Zusammensein. Integration muss gewollt sein und dann auch bezahlt werden. Zuwanderer sind
politisch gleichzustellen. Das waren die Grundsätze, mit denen wir in die Debatte
gegangen sind. Das sind auch die Grundsätze, nach denen wir heute vorliegende
Gesetzentwürfe beurteilen.
Wenn ich mir das Ergebnis ansehe, kann ich nur Frau Kollegin Süssmuth zitieren. Sie
meinte mit Blick auf das Werk der Koalition: Es sind noch wichtige Elemente vorhanden,
aber weit zurückgenommen! Dieses Urteil spricht Bände. Die Formulierung, wir würden
heute ein modernes Einwanderungsrecht verabschieden, ist nicht mehr als ein Selbstlob aus
dem Hause Schily.
(Beifall bei der PDS)
Der vorliegende Gesetzentwurf liegt weder im europäischen Trend, noch ist er auf der
Höhe internationaler Konventionen; ich erinnere nur an die UN-Kinderrechtskonvention. Am
Ende der dreijährigen Debatte steht also ein fragwürdiges Fragment.
Die PDS hat sich durch ihren Antrag für eine menschenrechtlich orientierte Einwanderungs-
und Flüchtlingspolitik klar positioniert. Wir plädieren weiterhin für eine
Einwanderungspolitik, die nicht nur die Interessen des Aufnahmelandes, sondern auch die
Interessen der hierher Kommenden berücksichtigt.
(Beifall bei der PDS)
Sie sollen nicht zum Spielball wirtschaftlicher und politischer Begehrlichkeiten werden.
(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Darum kämpft
Berlin darum, die Flüchtlinge herauszuhalten?)
Daraus folgt, dass wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Wir haben Änderungsanträge
gestellt, die sich im Wesentlichen auf den humanitären und den Flüchtlingsbereich sowie
die Asylpolitik konzentrieren.
Wenn Sie sich den Vorschlägekatalog der Landtagsfraktionen der PDS aus Berlin und
Mecklenburg-Vorpommern, der den Koalitionspartnern schon vor vier Wochen zugeleitet wurde,
ansehen, dann werden Sie sehen: Wir haben keine Illusionen. Wir wissen, dass es ein
schwieriger Einstieg in eine entsprechende Einwanderungspolitik ist. Aber es sind
verhandelbare Formulierungen.
Ich sage Ihnen voraus: Sie werden auf dem Weg zum Bundesrat nacharbeiten müssen, aber
auch darüber hinaus. Ich denke zum Beispiel nur daran, dass die UN-Kinderrechtskonvention
hinsichtlich der Asylmündigkeit bis zum Alter von 18 Jahren endlich eingeführt werden
muss.
Danke schön.
(Beifall bei der PDS)
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